Franz Sternbalds Wanderungen
Pracht des Morgenrots erwacht; wie eine Rede nach einem ausgeklungenen Liede. Seine Brust war beängstigt, er wußte sich nicht zu fassen und verließ unmutig den lachenden Florestan. »Wie ist es mit dem Leben?« dachte er bei sich selber, »irgendeinmal ist dieser Taumel der Jugend doch verflogen, endlich einmal nimmt mich doch jenes Leben in Empfang, dem ich jetzt so scheu aus dem Wege trete. Wie wird mir sein, wenn meine schönen Träume hinter mir liegen?«
Er nahm sich vor, sich durch ein offenes Gespräch mit der Tochter selbst bestimmen zu lassen. Mit schwerem Herzen lenkte er in die Gasse ein und zitterte, als er das Haus erblickte und betrat, doch schritt er mutiger die Treppe hinan, als wenn ihm eine frohe Ahndung entgegenkäme.
Achtes Kapitel
Als Franz in das Zimmer trat, fand er die Tochter allein, die die Zither spielte; sie dünkte ihm liebenswürdiger als je. Sie lehnte sich, wie in Sehnsucht aufgelöst, auf dem Ruhebette zurück, und sang eben die letzten Verse eines schmachtenden Liebesgedichtes. Er nahte verlegen, sie bemerkte ihn endlich, aber auch zugleich seine Ängstlichkeit, sie stand auf, faßte ihn zärtlich bei der Hand und fragte: ob er krank sei? »O meine teure, schöne, mir so freundlich liebe Sara«, fing Franz an, »in meinem Herzen ist ein Sturm, eine Verwirrung, die Ihr vielleicht lösen und beruhigen könnt, wenn ich Euch recht aufrichtig meine sonderbaren Leiden vertraue, und zugleich alles, was mir begegnet ist.« »Setzt Euch, mein lieber Freund«, sagte Sara, als die Magd hereintrat, auf welche Sara sogleich errötend zulief, sie bei der Hand nahm, und sich mit ihr in den Bogen eines Fensters stellte, um ein eifriges heimliches Gespräch mit ihr zu führen. Sara schien zu erschrecken und die Magd entfernte sich wieder. »Gott im Himmel!« rief das Mädchen unter Tränen aus, indem sie sich auf das Ruhebett warf; »also ist es nun gewiß? Ich kann mich nicht mehr täuschen? Alles wird Wahrheit, schreckliche Wahrheit, was immer nur noch als düstre Ahndung mich umschwebte.« Tränen und Schluchzen erstickten ihre Sprache, und Franz trat freundlich zu ihr, ihr einige tröstende Worte zu sagen, und sich nach der Ursach ihrer Wehklage zu erkundigen. Sie ließ ihn neben sich niedersitzen und richtete einen zärtlichen Blick auf ihn. »Nein, mein liebster Freund«, rief sie, »ich habe mich nicht mehr in meiner Gewalt, ich muß Euch mein Leiden klagen, Euch vertraue ich allein, und Ihr werdet mein Vertrauen nicht mißbrauchen. Seit acht Wochen leide ich unaussprechlich. Ihr seid gut, Ihr habt Mitleid mit mir getragen, ich habe es wohl bemerkt. Was soll ich Euch sagen? Ich liebe, ich bin unglücklich, ohne Hoffnung. Ein junger Mann in unserer Nachbarschaft, ohne Vermögen, ohne Stand, aber das liebevollste Herz, die biederste Treue – ach! weiß ich es, wie mein Auge, und bald darauf meine ganze Seele immer nach ihm gerichtet wurde? Begreif ich es, wie es kam, daß wir uns sprachen, uns alles sagten? Nun ist er krank geworden, krank aus Liebe, jetzt ohne Trost, und seit gestern ist sein Zustand gefährlich, da ihm jemand erzählt hat, daß mein Vater mich verheiraten wolle. Mein Vater kann es nicht wollen, er kann meinen Tod nicht wünschen. Geht zu ihm, Ihr mein liebster, mein einziger Freund, beruhigt ihn, tröstet ihn. Ach! wollt Ihr Euch mir so gütig erzeigen? Gewiß, es glänzt eine himmlische Güte aus Euren Augen. Er wird Euch rühren, Ihr werdet ihn auch lieben müssen, gewiß, wenn auch nicht so, wie ich.«
Franz ließ sich das Haus bezeichnen und eilte atemlos dahin. Er kam in eine armselige Stube, in welcher der Kranke in einem Bette lag, und vor sich Papiere hatte, auf denen er zeichnete. Als Sternbald näher kam, erstaunte er, den Schmied vor sich zu sehn, mit dem er vor Nürnberg am Tage seiner Auswanderung gesprochen hatte. »O mein lieber Freund!« rief er aus, »wie ist es möglich, daß ich Euch nicht früher irgendwo gesehn habe? Jetzt führt mich das sonderbarste Verhältnis, der schönste Befehl zu Euch. Längst hätte ich Euch aufgesucht, wenn ich nur ahnden konnte, daß Ihr wieder in Antwerpen wärt.« Der junge Schmied erkannte den Maler auch sogleich wieder und hüllte sich weinend in die Kissen, als Franz von Sara sprach, und er hörte, welche zärtliche Botschaft sie ihm sende. »O Maler!« rief er aus, »Ihr glaubt nicht, was ich ausgestanden habe, seitdem ich Euch damals gesprochen hatte. Aber über Euch muß ich klagen, denn Ihr seid eigentlich
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