Franz Sternbalds Wanderungen
zog mich, daß ich mich auch in die Röte hinein zu ihr stellte. Wir sprachen, wir verstanden uns. Bin ich doch kein einzigesmal verwundert gewesen über das, was sie mir sagte: ich erschrak vor Wonnegefühl, daß sie mich so liebte, aber es war mir nur, als wenn ich es selbst gesagt hätte. Seht, Wandersmann, ich spreche etwas im Fieber, die vernünftigen Leute, wie Ihr, verstehn das nicht recht.
Ihr Vater hatte in Leiden Geschäfte und reisete dorthin; nun sah ich sie öfter: wir gingen heimlich miteinander spazieren. Des Abends, wenn ich sie nicht sprechen konnte, zeichnete ich ihr Bild, oder stellte mich dem Hause gegenüber, und ließ so die Nacht heranrücken. Ehe wir es uns versahen, kam der Vater zurück. Nun war es mit unsern Zusammenkünften aus; ich konnte sie nur manchmal im Vorbeigehn grüßen. Wie eine Decke fiel es mir von den Augen, und mein Herz wollte springen. Ich sah nun wieder den Unterschied unter uns beiden, wie mich der reiche Vater verachten müsse, wie ich so nichts gegen ihn sei. Nun hörte ich noch dazu, Sara würde bald verheiratet werden; ach! und es geschieht auch gewiß. Was soll ich anfangen? Mein Handwerk ist mir ein Abscheu, alles, worauf ich mich sonst wohl freuen konnte, Meister zu werden, und bei Gelegenheit eine künstliche Arbeit, einen Springbrunnen, Gitterwerk, oder dergleichen zu unternehmen, kommt mir nun kläglich vor. Ein Maler zu werden, dazu bin ich nun zu alt, Sara darf ich nicht sehn, nichts hoffen, so geh ich zugrunde, alles das zusammen hat mich so krank und schwach gemacht, daß ich bald zu sterben hoffe. Warum begegnen nur dem Menschen so sonderbare Gefühle? Aber das sag ich Euch, wer sie heiratet, den bring ich um; und bin ich schon vorher tot, so reißt mich die Verzweiflung gewiß noch als Gespenst hervor, um dem Bösewicht zu schaden. Damit kann man sich doch noch trösten. O Maler, helft mir doch zum Verstande, oder zu Sara, oder macht, daß mir Verstand und Leben gänzlich entweichen.«
Franz sagte mit Wehmut: »Nein, Ihr dürft nicht sterben; glaubt mir, daß Ihr gewiß noch Zeit genug habt, ein guter Maler zu werden, wenn Ihr diese Liebe zur Kunst behaltet. Ihr zeichnet schon so gut, als wenn Ihr lange in der Lehre gewesen wäret, und es kommt also nur auf Euch an, ein Maler zu werden. Dann dürft Ihr auch auf Eure Geliebte hoffen, denn der Vater achtet die Malerei und will nur einen Malerkünstler zum Eidam haben; darum hat er mir noch heut, so arm ich auch bin, seine Tochter angetragen. Deshalb tröstet Euch, sammelt wieder Lust zum Leben und Kräfte, denn Ihr könnt noch recht glücklich werden.«
Der Kranke schüttelte mit dem Kopfe, als wenn er nicht daran glauben könne, doch Franz fuhr so lange fort, ihn zu trösten, bis jener etwas beruhigt war. »Nun«, sagte er endlich, »Ihr habt mir versprochen, sie nicht zu nehmen, und es könnte Euch auch nicht zum Gedeihn ausschlagen. O Freund, wenn ich mir das hätte einbilden können, als wir im Busch miteinander frühstückten, so wärt Ihr mir nicht so mit heiler Haut davongekommen. Gebt mir noch einmal die Hand darauf, daß Ihr sie nicht wollt.« Franz reichte sie ihm, und jener drückte sie so stark, daß dem Maler ein Ausruf des Schmerzes entfuhr. Er eilte sogleich zu Vansen, den er bei einer Flasche Wein und bei guter Laune antraf. »Jetzt will ich Euch meine Antwort bringen, aber Ihr müßt mir mit Geduld zuhören.« Er erzählte hierauf die Geschichte seines Freundes, und sprach von der gegenseitigen Liebe der beiden jungen Leute. »Ihr wolltet mir«, schloß er, »als einem armen Menschen, der nicht mehr, als dieser Schmied besitzt, Eure Tochter geben, Ihr wolltet auf meine Zurückkunft warten: nun so tut es mit diesem, um das Glück Eurer einzigen Tochter zu begründen: sie ist jung, ich versichre Euch, der Kranke ist in wenigen Jahren ein guter Maler, der Euch Ehre macht, und so sind alle Eure Wünsche erfüllt.«
»Und Ihr seid überzeugt, daß er mit der Zeit gut malt?« fragte Vansen.
»Gewiß«, sagte Sternbald, »seht nur diese Zeichnungen, die wahrlich einen guten Schüler verraten.«
Er zeigte ihm einige Bilder, die er von Horstens Hand (so hieß der Jüngling) mitgebracht hatte, und Vansen betrachtete sie lange mit prüfenden Blicken; doch schien er endlich mit ihnen zufrieden zu sein. »Ihr seid ein braver junger Mensch«, rief er aus, »Ihr könntet mich zu allem bewegen. So geht also zu dem armen Teufel und grüßt ihn von mir, sagt, er soll nur gesund werden und wir wollen
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