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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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lügenden Trost, der gaukelnden Hoffnung hin, und vergessen, daß nur in des Schmerzes tiefster Innigkeit für uns die wehmütige Freude, der Himmel der ewigen Tränen wohnt.«
    »Wie in Euch das Leid erscheint«, sagte Sternbald, »ist es etwas so Herrliches, daß ich mir wohl vorstellen kann, viele möchten wünschen, Euch diesen Zauber nachspielen zu können, und ich erlebe jetzt, was ich keinem Dichter geglaubt haben würde, daß die Schönheit alles in Schönheit verwandelt, und daß aus Tränen und Weh der Reiz so süß hervorblicken kann, als aus dem schalkhaften Glanze der Augen.«
    »Ihr malt!« rief die Gräfin scherzhaft auffahrend, »ich fürchte, meine Gegenwart verdirbt Euch, da Ihr mit jedem Tage schlimmer schmeicheln lernt.« Indem Sternbald arbeitete, sagte sie nach einer Pause: »Singe jetzt, Kind, eins von den Liedern, die du kennst.« »Welches?« fragte das junge Mädchen. »Was dir zuerst einfällt«, sagte die Gräfin, »nur nichts Schweres, etwas Leichtes, Schwebendes, das nur in Tönen lebt.«
    Das Mädchen sang mit zarter Stimme:
        »Laue Lüfte
        Spielen lind,
        Blumendüfte
        Trägt der Wind,
Rötlich sich die Bäume kräuseln,
        Lieblich Wähnen
        Zärtlich Sehnen
In den Wipfeln, abwärts durch die Blätter säuseln.
            Rufst du mich,
    Süßes Klingen?
    Ach! geheimnisvolles Singen,
    Bist nicht fremd, ich kenne dich!
        Wie die Tauben
    Zärtlich lachen, girren, kosen,
    Also mir im bangen Herzen
    Schlagen Fittge Lust und Schmerzen;
    Zu den dunkeln Dämmerlauben,
    Zu den Blumenbeeten, Rosen
    Wandl' ich, ruf ich, schau umher –
    Und die ganze Welt ist leer.
            In die dichte Einsamkeit
    Trag ich meiner Tränen Brand;
    Ach! kein Baum tut mir bekannt,
    Setz mich an des Bronnens Rand:
    Vogel wild die Töne schreit,
        Echo hallt,
    Hirschlein springt im dunkeln Wald.
            Und es braust herauf, herunter,
    Waldstrom klingt durch seine Klüfte,
    Seine jungen Wellen springen
    Auf den Felsenstufen munter,
    Adler schwingt sich durch die Lüfte: –
    Tränen, Rufen, Klagen, Singen,
    Könnt ihn nicht zurück mir zwingen?
        Garten, Berge, Wälder weit
        Sind mir Grab und Einsamkeit.«
    Während des Liedes schien es dem Maler, als wenn eine Verklärung mit süßem Glanz durch alle Adern des Angesichtes sich verbreite und wie ein Licht aus der schönen Stirn hervordringe; alle Züge wurden noch sanfter und sinniger, er fühlte sich von dieser ausströmenden Klarheit wie geblendet. Aber die Töne gaben ihm Ruhe und Heiterkeit, er konnte mit Sicherheit arbeiten, indem die Schöne das Lied noch einigemal wiederholen ließ.
    »Nun laßt des Malens für heute genug sein«, rief die Gräfin plötzlich, »es ermüdet nichts so sehr, als dieses starre Vor-sich-Hinblicken, ohne Gedanken und Unterhaltung. Kommt, mein junger Freund, und erzählt mir etwas von Euch, von Eurem Leben, von Euren Reisen, und daß es ja nur recht wichtig und lustig ist.«
    Sternbalds Verlegenheit wurde erneuert, er fing an von Dürer, Sebastian und Nürnberg zu sprechen, dann von Florestan und ihrer Reise, und mühte sich ab, so erheiternde Gegenstände aufzufinden, als ihm seine Phantasie nur darbieten wollte. Die Gräfin hörte ihm freundlich zu, und nach einiger Zeit sandte sie die Sängerin mit einem Auftrage fort. »Wenn es Euch gefällt«, sagte sie, »wieder an die Arbeit zu gehen, werdet Ihr mich erfreuen, denn ich bin heut in der Stimmung, recht geduldig zu sitzen.« Franz fing wieder an zu malen, und bald ließen sich vom Garten herauf Waldhörner mit muntern und sehnsüchtigen Melodieen abwechselnd vernehmen. Sie wurde sehr nachdenkend, und verfiel nach einiger Zeit wieder in ihre erste Trauer. »Wie glücklich«, dachte Franz bei sich selbst, »sind doch die Reichen, daß Kunst und edler Genuß sie immerdar umgeben kann, daß ihr Leben sich in ein anmutiges Spiel verwandelt, daß sie das Antlitz der Not und die strenge drohende Miene des Lebens nur von Hörensagen und aus Erzählungen kennen: immer umduftet und umlacht sie ein heiterer Frühling; und das ist es auch wohl, warum die Sterblichen nach Schätzen geizen, und atemlos aber unermüdet der blinden Glücksgöttin nachrennen, um diese irdische Seligkeit zu erschaffen, obgleich die meisten nachher zu vergessen scheinen, weshalb sie ausgegangen

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