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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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könnt Ihr Euch nicht entschließen?« Er ließ die langen dunkeln Haare von allen Seiten schweben und stellte sich dann vor sie hin, um sie zu betrachten; dann ringelte er sie in einzelnen Flechten, und endlich hob er das Gelock über die Stirne empor, sie sah ihn freundlich und schalkhaft an und rief: »Nicht wahr, so bin ich ein ganz anderes Wesen?« Die reine Stirn glänzte, die Augen funkelten, sie war bezaubernd schön in dieser Stellung. »Wißt Ihr aber auch«, fuhr sie fort, »daß Ihr, wenn man Euch so nahe ansieht, recht schöne und treuherzige Augen habt?« Sie stand auf, legte ihm die Hand auf die Schulter, betrachtete ihn ganz nahe und sagte: »Wirklich, man muß Euch gut werden, wenn man Euch recht anschaut, ich denke mir, daß ein Mädchen Euch einmal recht muß lieben können.« Mit diesen Worten drückte sie ihm einen Kuß auf die Stirn und entfernte sich.
    Franz ging unruhig auf und ab und sagte zu sich: »Wahrlich, ich hätte nie geglaubt, daß das Malen ein so beschwerliches Handwerk sei! Auch habe ich nie etwas von diesen Gefahren vernommen; auf diesem Wege dürfte ich das wenige, was ich von der Kunst gefaßt habe, ganz wieder verlernen.« Die Gräfin kam zurück und hatte ein buntes seidenes Tuch nachlässig umgeschlagen, ein Barett auf das schöne Haupt gesetzt, und sagte, indem sie des Malers Hand nahm: »Kommt, Ihr sollt mich auf einen Spaziergang begleiten, Ihr seid es wert, daß ich Euch meine Geschichte vertraue.« Er folgte ihr, und sie gingen durch den Garten jenem anmutigen Walde zu, wo Sternbald sie zuerst gesehn hatte. Der junge Arnold kam ihnen nach, um sich zu ihnen zu gesellen, aber die Gräfin wies ihn mit einem Winke zurück. Als sie zu dem Hügel gekommen war, wo die Jagd damals um sie versammelt gewesen, ließ sie sich nieder und Sternbald mußte sich neben sie setzen.
    »Schon früh«, so fing sie ihre Erzählung an, »verlor ich meine Eltern. Weil mir dadurch eine große Erbschaft und der Besitz schöner Güter zugefallen war, so ward ich aus der Nachbarschaft wie aus der Ferne von vielen Menschen aufgesucht, die mir schmeichelten, und allen meinen schnell wechselnden Launen entgegenkommen wollten. Jung wie ich war, hielt ich mich wirklich bald für eine seltene Erscheinung an Geist und Witz, das übertriebene Lob meiner Bewunderer überredete mich in kurzem, daß meine Schönheit ganz außerordentlich sei. Die jungen wie die älteren Männer bewachten meine Schritte und jeder suchte mich auf seine Art zu gewinnen. Sie hatten mich erst stolz und übermütig gemacht, und nicht dabei überlegt, daß eben dieser Stolz ihre kriechenden aber anmaßenden Bewerbungen, ihre plumpe Heuchelei, ihre Vergötterung meiner Gestalt und Vorzüge, hinter welcher ich nicht nur eine Geringschätzung meiner selbst, sondern des ganzen weiblichen Geschlechtes sah, aus dem Felde schlagen würde. Ich verachtete bald alle diese eigennützigen Wesen ohne Herz und Empfindung, und meine Lust war es, sie diese Verachtung fühlen zu lassen, mein Triumph und Hohn wurde endlich so deutlich, daß sich einer nach dem andern zurückzog, und ich in den Ruf kam, eine Feindin der Männer zu sein. Seitdem näherten sich mir andere und bessere, und ich bemerkte an manchem Reize und Gaben des Geistes, welche mich anzogen, doch konnte ich sie ebenso ruhig abreisen sehen, wie ich sie froh und freundlich aufgenommen hatte. Diese Ruhe meines Herzens war mein größter Stolz, ich meinte, was ich von Liebe gehört, sei nur eine Erfindung begeisterter Dichter. Ja, ich kann es nicht leugnen, ich spielte wohl mit der bessern Empfindung manches Jünglings, und freute mich, ihn von meinen Blicken abhängig zu machen, ohne dann seine Unruhe, seine Heftigkeit und Trauer zu bemerken oder zu erwidern. Aber schon nahte derjenige, den das Schicksal zu meiner Bestrafung abgesandt hatte. Ein junger Ritter kam hieher, der, wie er sagte, aus Franken gebürtig war. Ich hatte noch nie die Würde und die Liebenswürdigkeit des Mannes gesehn: sein stiller, ernster und feuriger Blick, sein holdseliges Lächeln, seine tönende Sprache, und die Wahl seiner Worte, sein Gang, die Stellung, die Art sich zu kleiden, alles, alles an ihm versetzte mich außer mir selbst; meine Unruhe, wenn er nicht zugegen, meine süße Angst, meine peinigende Wonne, wenn er mir gegenüber stand und saß, waren unbeschreiblich, meine ganze Seele gehörte ihm schon, noch ehe ich darauf fiel, diese Empfindung, die alle meine Kräfte abwechselnd erhöhte und

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