Franziskus, der neue Papst (German Edition)
sich Papst Franziskus der Interpretation seines Vorgängers anschließt und in erster Linie auf einen interkulturellen Dialog setzt, bleibt eine spannende Frage. Ähnliches gilt für die Ökumene, in der besonders das Miteinander mit den orthodoxen und alt-orientalischen Kirchen gestärkt und vertieft wurde. Das Gespräch mit den evangelischen Kirchen dagegen verlief zäher, obwohl von Benedikt XVI. Sätze wie diese erhalten bleiben: »Ökumene ist keine bloße Kommunikationsstrategie in einer sich wandelnden Welt, sondern eine Grundverpflichtung der Kirche von ihrer Sendung her.« »Der ökumenische Dialog kann heute von der Wirklichkeit und dem Leben aus dem Glauben in unseren Kirchen nicht mehr abgetrennt werden, ohne ihnen selbst Schaden zuzufügen.« Die Annäherung an die reformatorischen Kirchen ist wenig vorangekommen, Benedikt XVI. sah in vielen Dingen bereits eine Grenze erreicht – ob Franziskus daran etwas ändert? Mit Sicherheit wird er von der Bürde Benedikts XVI. befreit sein, aus dem Land der Reformation zu kommen und so einerseits bei den K & K-Zirkeln, den konservativ-katholischen Kreisen, im Verdacht der Preisgabe katholischer Charakteristika zu stehen. Zugleich lasten auf Papst Franziskus nicht Erwartungen mancher ökumenischer Teilnehmer, die mit der Realität des Dialogs nichts zu tun haben. Es ist gut möglich, dass der neue Papst, von voreiligem Verdacht und hohen Hoffnungen befreit, besser agieren kann im Gespräch mit Lutheranern oder Protestanten. Genauso kann es indes sein, dass beispielsweise die deutschen Lutheraner spüren werden, dass der Dialog mit ihnen für Franziskus weniger wichtig und weiter unten auf der Prioritätenliste angesiedelt ist.
Benedikt XVI. hat seinen Dienst oft als Joch und sich selbst als »Lasttier Gottes« bezeichnet. Ohne Zweifel ist das Amt des Papstes eine Last, an der jeder schwer zu tragen hat. Der Rücktritt Benedikt XVI. könnte diese Last etwas leichter gemacht haben. Seine Entscheidung war zwar nicht die erste dieser Art, 1294 hatte Coelestin V. die Tiara zu Boden gelegt. Trotzdem wird der Rücktritt des deutschen Papstes in die Kirchengeschichte eingehen, das ist bereits heute sicher. Für alle Nachfolger hat diese Entscheidung nicht nur historischen Wert, sondern eine aktuelle Bedeutung. Die Möglichkeit des Rücktritts war immer gegeben. Doch erst Benedikt XVI. hat den Mut und die Entschlossenheit aufgebracht, sie zu nutzen und damit vom Etikett der rein theoretischen Möglichkeit zu befreien. Die Entscheidung zertrümmert jahrhundertealte Gesetze: So galt ein betagterer Papabile automatisch als Übergangskandidat, während ein junger stets gegen die Skepsis ankämpfte, das höchste Amt der Kirche für vielleicht 20 Jahre und mehr innezuhaben. Diese starre Ordnung, die fast schon einem Gewohnheitsrecht entsprach, hat der deutsche Papst aufgelöst. Das ist mit Sicherheit eine der wichtigsten Früchte, die der zurückgetrete Heilige Vater seinen Nachfolgern und seiner Kirche hinterlassen hat.
Darin liegt natürlich eine gewisse Ironie: Ausgerechnet Benedikt XVI., ausgerechnet der vormals als »Panzerkardinal« oder »Gottes Rottweiler« verschriene Joseph Ratzinger, hat menschliche Schwäche und in der Schwäche menschliche Stärke gezeigt. Während ein Gregor VI. noch davon ausging, dass durch die Erhebung auf den Stuhl Petri der Papst automatisch heilig werde, war Benedikt XVI. sehr wohl bewusst, wie fehlbar der Mensch sein kann, dass er Heiliger und Sünder zugleich ist, wie es bei Paulus heißt. Früher gab es bei jeder Papstkrönung einen Brauch, um den Papst genau daran zu erinnern: Drei Wergbündel wurden verbrannt, während man dem neuen Pontifex zuflüsterte: »Sancte Pater, sic transit gloria mundi.« (»Heiliger Vater, so vergeht die Herrlichkeit der Welt.«) Benedikt XVI., aufgewachsen in einfachen Verhältnissen auf dem Land in Bayern, hätte so eine Ermahnung nicht gebraucht. Ganz von sich aus hat er als neuer Papst in einer seiner ersten Ansprachen Jugendliche um ihre Unterstützung gebeten: »Gehen wir miteinander, halten wir zusammen. Ich vertraue auf eure Hilfe. Ich bitte euch um Nachsicht, wenn ich Fehler mache wie jeder Mensch oder wenn manches unverständlich bleibt, was der Papst von seinem Gewissen und vom Gewissen der Kirche her sagen und tun muss. Ich bitte euch um euer Vertrauen.« Man stelle sich einen x-beliebigen Konzernchef vor und die Wirkung, die solch ein Schwächeeingeständnis hätte. Und dann halte man sich vor
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