Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
nicht angesagt, weil um 22 Uhr das Hauptportal abgeschlossen wird. Wer danach noch hineinwill, braucht den sogenannten blauen Schlüssel, der den Gästen die Möglichkeit gibt, das Haus durch einen Nebeneingang zu betreten. Nach Mitternacht schreiben die Schweizergardisten alle, die in den Vatikan zurückkommen oder ihn verlassen, namentlich auf.
Neben der Rezeption des Hotels befindet sich das Fernsehzimmer, das schon zu normalen Zeiten trist aussieht, aber während des Konklaves noch deprimierender wirkt, weil dann das Essentielle fehlt, das den Raum zum Fernsehzimmer macht: der Fernseher. Der wird dann weggeräumt, weil er dazu benutzt werden könnte, Kontakt mit der Außenwelt aufzunehmen.
Die Eingangshalle mit den überdimensionierten Bildern Marias versprüht nicht gerade Charme, schlimmer wird es aber im Speisessaal. Der hat die Anmutung eines exklusiven Leichenschauhauses und verscheucht jedes Gefühl von Behagen. Die Öffnungszeiten sind auch nicht gerade kundenorientiert: Frühstück gibt es von 7.30 bis 8.45 Uhr, Mittagessen von 13 bis 14 Uhr, das Abendessen von 19.30 bis 20.30 Uhr. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand gern länger in dem Restaurant bleibt als zum Essen unbedingt nötig. Am Ende der Eingangshalle liegt der Internet-Point, der aus Anlass des Konklaves natürlich abgebaut wird. Daneben befindet sich die Kapelle, und die ist wirklich eine Überraschung. Denn ein kuscheliges Hotel bauen konnte der Architekt ganz sicher nicht, aber von Kapellen verstand er etwas. Die Kapelle soll den Eindruck eines Zeltes vermitteln, das die Juden in der Wüste aufgeschlagen haben, und das Konzept geht tatsächlich auf. Es ist eine der schönsten modernen Kapellen, die ich kenne. Daneben erstreckt sich eine kleine Terrasse, auf der man sich wunderbar an der Sonne wärmen kann, sie ist mein Lieblingsort im Vatikan.
Leise surren die Fahrstühle hinauf zu den vier Etagen, auf denen die Zimmer liegen. Wer eine der 105 Suiten für die Dauer des Konklaves bekam oder mit einem der 26 Einzelzimmer vorliebnehmen musste, wurde ausgelost. Die Flure sind so ungewöhnlich dunkel, dass man schon sehr gute Laune haben muss, um nicht in Schwermut zu verfallen, wenn man sie durchschreitet. Hinter den braunen Nussholztüren der Zimmer ist dann endgültig Schluss mit jeder Form von Behaglichkeit. Das kleine Arbeitszimmer wirkt durch die kalten, dunklen Marmorböden feindselig und düster, die dunklen Möbel und der Schreibtisch lassen den Eindruck entstehen, dass hier der geeignetste Ort ist, um sein Testament zu Papier zu bringen. Das Schlafzimmer – es gibt natürlich nur relativ breite Einzelbetten – sieht so aus, das jeder Pauschalurlauber den Raum wegen seiner deprimierenden Atmosphäre laut schreiend verlassen würde. Eigentlich kann man es sich nur als das perfekte Sterbezimmer vorstellen, falls man die Form wahrend abtreten möchte. Immerhin ist das Bad modern und funktional eingerichtet. Eine Minibar gibt es aber ebenso wenig wie einen Fernseher, dafür liegen immer Rosenkränze bereit für den Fall, dass man ihn zu Hause vergessen hat, was den Kardinälen während eines Konklaves wohl kaum passieren dürfte.
Dass irgendjemand auch nur einen Tag länger als nötig im Hotel der Kardinäle bleibt, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Zwar bieten einige Zimmer immerhin einen Blick auf den Park, wer aber Pech hat, schaut auf die große Straßenkreuzung an der Porta Cavalleggeri. Ich war jedes Mal zutiefst erleichtert, wenn ich wieder draußen war.
Stiller Abschied vom Pontifikat
Der 28. Februar, der letzte Arbeitstag von Papst Benedikt XVI ., bereicherte die Geschichte der 265 Nachfolger des heiligen Petrus gleich um zwei unerhörte Neuheiten. Benedikt XVI . hatte an seinem letzten Arbeitstag die Kardinäle, die bereits in Rom eingetroffen waren, noch einmal sehen wollen, sie hatten ihm schließlich sein Amt auferlegt. Insgesamt 144 der 206 Kardinäle, die es weltweit gibt, kamen in den alten Thronsaal der Päpste, die Sala Clementina, in der Benedikt XVI . wie seine Vorgänger auf seinem Thron saß. Unter den Kardinälen waren zahlreiche Herren, die bereits das 80. Lebensjahr vollendet und damit nach der Wahlordnung von Paul VI . das aktive Wahlrecht verloren hatten.
Aber es waren noch nicht alle 117 wahlberechtigten Kardinäle anwesend. In seiner Abschiedsrede verglich der Papst das Kardinalskollegium mit einem Orchester, in dem trotz aller Unterschiede die einzelnen Musiker versuchen, zu
Weitere Kostenlose Bücher