Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
Chef der Kongregation für die Bischöfe und ehemaliger Erzbischof von Québec. Er war der Einzige, der beim Abschied die Tränen nicht zurückhalten konnte. Beeindruckend war auch die Begegnung mit dem ehemaligen Sekretär von Papst Johannes Paul II ., Stanisław Kardinal Dziwisz. In der prächtigen Sala Clementina fiel sofort auf, wie sehr dem Papst die Entscheidung zum Rücktritt doch nahegegangen war, wie sehr sie ihn in Wirklichkeit doch gequält hatte, obwohl er ständig betonte, er sei »heiteren Gemüts« trotz der Schwere seines Entschlusses. Denn als Dziwisz vor ihm stand, ergriff der Papst sofort das Wort. Alle anderen Kardinäle hatten auf Benedikt XVI . eingeredet, während dieser zugehört und wenig gesprochen hatte. Aber Kardinal Dziwisz wollte er ganz offensichtlich dringend etwas sagen. Kein Wunder, denn es war Dziwisz, der sofort nach der Ankündigung des Rücktritts daran erinnerte, dass Papst Johannes Paul II . seinen eigenen Rücktritt abgelehnt hatte mit den Worten, vom Kreuz steige man nicht herab. Dziwisz hörte dem Papst zu, nahm ihn dann bei seinen Händen, und es war klar: Diese beiden Männer hatten jegliches Problem, das sie gehabt haben mochten, ausgeräumt und trennten sich jetzt als Brüder.
Doch das Treffen der Kardinäle blieb nicht eine ruhige Zusammenkunft älterer Herren. Vielmehr kam es in der Sala Clementina schon zur ersten Vorentscheidung des Konklaves. Die hohen Herren hielten den Atem an, als US -Kardinal Roger Michael Mahony aufstand und zum Papst ging. Nie zuvor in der Geschichte der Kirche war ein Kardinal öffentlich von Bischöfen aufgefordert worden, wegen seines unmoralischen Verhaltens einem Konklave fernzubleiben. Dies allein war schon unerhört, noch überraschender aber war, dass der Bösewicht, den seine eigene Diözese hochkant hinausgeworfen hatte, den sie aller Ämter, selbst der reinen Ehrenämter, enthoben hatte, trotzdem zur Papstwahl anreiste.
Diese Szene in der Audienzhalle im Vatikan illustrierte ein Dilemma, das Papst Franziskus jetzt wird lösen müssen. Hatte jemand wie Mahony, ehemaliger Erzbischof von Los Angeles, der mit Schimpf und Schande davongejagt worden war, wirklich die Pflicht gehabt, nach Rom zur Papstwahl zu kommen? Aber wie vertrug es sich damit, dass der Kardinal von Schottland, Keith O’Brien, zu Hause blieb, um »dem Interesse der Medien« an seinem Fall zu entgehen. Gemessen an den Anschuldigungen gegen Mahony waren die gegen den Kardinal aus Edinburgh, dem vier Priester »ungebührliches Verhalten nach heftigem Alkoholgenuss« vorwarfen, eher harmlos. Würde in Zukunft eine Kommission entscheiden müssen, welcher Kardinal aufgrund welchen Vergehens von der Papstwahl ausgeschlossen werden sollte? Konnten die Kardinäle auch in Zukunft die Papstwahl handhaben, wie sie wollten, also nach ihrem Gusto teilnehmen oder fernbleiben?
Papst Benedikt XVI . nahm ganz selbstverständlich die Ehrenbezeigungen entgegen. Er verzog keine Miene, als Kardinal Mahony den Fischerring des Papstes küsste, der nur wenige Stunden später zerstört werden sollte. Eines war mit dem Auftauchen Kardinal Mahonys offensichtlich und würde wie ein Schatten schwer über dem Konklave liegen: Die US -Bischöfe hatten den mutmaßlichen Straftäter jetzt in ihrer Mitte. Er war nicht mehr eine ansteckende Bedrohung in weiter Ferne, sondern ein Mann aus Fleisch und Blut – die Mensch gewordene Warnung davor, einen Papst aus den USA zu wählen! Nachdenklich verließen die Kardinäle die Sala Clementina, sie wussten, jetzt waren sie an der Reihe.
In der Geschichte der Päpste hatten die Gläubigen sich jahrhundertelang während Krankheitsphasen ihres obersten Hirten immer wieder fragen müssen, ob ein öffentlicher Termin eines Papstes dessen letzter war. Am Ostermontag des Jahres 2005 war Papst Johannes Paul II . noch einmal in der Öffentlichkeit erschienen, an seinem Fenster in der päpstlichen Wohnung über dem Petersplatz. Die Gläubigen hatten gehofft, dass der Papst die Kraft haben würde, am folgenden Mittwoch, dem Tag der Generalaudienz, sich noch einmal am Fenster zu zeigen. Obwohl der Vatikan die Audienz absagte, versammelten sich mehrere zehntausend Menschen auf dem Petersplatz, allerdings vergeblich. Karol Wojtyła litt unter hohem Fieber, verursacht durch die zahlreichen Entzündungen in seinem Körper, vor allem an der Blase. Diese führten schließlich am Samstag, den 2. April, um 21.46 Uhr zu Karol Wojtyłas Tod. Niemand hatte an diesem Ostermontag
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