Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
Einzelzimmer.
Seinen Namen erhielt das Hotel von der überfleißigen Martha der Bibel. Im Lukasevangelium 10, 38 heißt es dazu: »Sie zogen weiter, und er [Jesus] kam in ein Dorf. Eine Frau namens Martha nahm ihn freundlich auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. Martha aber war ganz davon in Anspruch genommen, für ihn zu sorgen.«
Der Papst gab für das Gebäude 20 Millionen US -Dollar aus. Er musste es zunächst einmal aufstocken lassen. Das führte zu heftigen Protesten der Anwohner, weil die dadurch den seit Jahrzehnten gewohnten Blick auf die Peterskuppel einbüßten. Die neue Wahlregel schreibt vor, dass die Kardinäle in dieses Haus einziehen müssen. Die Zeiten, als die Kardinäle noch im Appartement des Borgia-Papstes Alexander VI . schliefen, in dem der Papst das Bett mit seiner attraktiven Geliebten Giulia Farnese teilte und sie sogar in Form der Muttergottes an die Wand malen ließ, sind damit endgültig vorbei.
Ich habe oft Freunde oder Bekannte besucht, die in »Domus Sanctae Marthae« abgestiegen waren. Es dürfte allein schon deswegen das exklusivste Hotel der Welt sein, weil es für einen gewöhnlichen Sterblichen nahezu unmöglich ist, hineinzugelangen. Es gibt gleich zwei Kontrollen. Selbst wem es gelingt, sich an den Schweizergardisten am großen Stahltor an der Audienzhalle »Papst Paul VI .« vorbeizuschmuggeln, für den ist ab der Kontrollstelle der Gendarmen vor dem Campo Santo Teutonico Schluss. Wenn man dann nicht eine Einladung eines Bewohners des »Domus Sanctae Marthae« vorlegen kann, darf man nicht weitergehen.
Wer aber das Privileg hat, spaziert dann in den exklusiven und in der überfüllten Großstadt Rom kaum vorstellbar menschenleeren Teil des Vatikans. Der Weg führt an der sogenannten Mosaikschule des Vatikans vorbei. Nachdem man die Bögen durchquert hat, liegt die imposante Fassade des Kardinalshotels links vor dem Besucher. Auch wenn nicht gerade ein Konklave stattfindet, ist das Haus heiß begehrt. Angestellte der Kurie, die für einen überschaubaren Zeitraum nach Rom kommen oder noch keine feste Bleibe gefunden haben, wohnen hier. Eine automatische Tür öffnet sich gleitend am Haupteingang, und der Besucher steht vor der Büste Johannes Pauls II ., die die beiden Treppenaufgänge zu bewachen scheint, die links und rechts nach unten führen zur langen Theke der Rezeption. Dort, wie auch im Rest des Hotels, arbeiten die fleißigen Nonnen des Ordens der »Töchter der Barmherzigkeit des San Vincenzo de Paoli«. Der Orden war 1617 von Vincenzo de Paoli gegründet worden, um Arme und Kranke zu Hause zu versorgen. Heute hat der Orden 2275 Häuser, in denen etwa 20000 Ordensfrauen leben. Das berühmteste ist natürlich das Kardinalshotel »Domus Sanctae Marthae« .
Wahrscheinlich gibt es keinen freudloseren Ort in Rom als das »Domus Sanctae Marthae«. Mir tut es immer leid, wenn ich an die Kardinäle denke, die hier im Kardinalshotel absteigen müssen. Sie denken, dass sie in Rom sind – dabei gibt es keinen Ort, der so absolut unrömisch ist wie das Hotel der Kardinäle. All das, was Rom ausmacht, der Krach, das Chaos, die vorlauten Menschen, die sich gegenseitig ständig übers Ohr hauen, dabei aber irgendwie liebenswert sind, gibt es im »Domus Sanctae Marthae« nicht.
Hier aber herrscht eine geradezu peinliche Stille. Es ist dem Vatikan gelungen, die Stadt Rom und ihre Menschen wirkungsvoll auszusperren. Ich habe noch nie jemanden im »Domus Sanctae Marthae« laut lachen hören. Die Frauen an der Rezeption sind übrigens völlig unschuldig an der lebensfeindlichen Atmosphäre. Ich habe Stunden meines Lebens damit verbracht, an der Rezeption herumzustehen und auf jemanden zu warten. Zunächst legen die jungen Frauen ein unnahbares frommes Gehabe an den Tag. Wenn man sie provoziert und etwas sagt wie: »Muss das frustrierend für eine Frau sein, in einem riesigen Hotel voller Single-Männer zu arbeiten, die aber leider alle irre fromm sind«, so ignorieren sie einen zunächst und schauen pikiert zur Seite. Aber weil sei nun mal Römerinnen sind und deswegen ein sehr spitzes Mundwerk haben, antworten sie irgendwann so etwas wie: »Von wegen fromme Männer, die klauen die Handtücher, und manche nehmen sogar die Bettwäsche mit. Ein paar von ihnen prellen die Zeche, und wenn du sie erwischst, sagen sie halt, dass sie ganz vergessen haben zu zahlen.«
Party ist in dem Hotel allein deswegen schon
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