Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
Papst längst im Gästehaus der heiligen Martha. Ich wollte einfach noch einen Moment die Jubelstimmung genießen. Mein Handy klingelte ununterbrochen. Irgendwann beantwortete ich die Anrufe, und eine Unzahl von Kollegen wollten alle das Gleiche wissen: »Sag doch bitte, woher hast du das gewusst? Wie zum Teufel konntest du den Tag und die Uhrzeit vorhersagen, wann der neue Papst gewählt wird?« Ich hatte am Vormittag dieses Tages im Morgenmagazin der ARD gesagt: »Heute Abend haben wir einen neuen Papst.« Alle hatten mich für verrückt erklärt. Niemand glaubte mir, dass bereits am zweiten Wahltag, schon im fünften Wahlgang der neue Papst gewählt werden würde. Ein alter Freund aus den USA meldete sich: »Gib es zu«, schrie er ins Telefon, »irgendein Kardinal hat es dir aus dem Konklave gesteckt, richtig? Niemand konnte damit rechnen, dass es ein so kurzes Konklave geben würde. Du hast einen Tipp bekommen. Sag schon, von wem?« Ich wusste nicht, was ich ihm antworten sollte. Ich wusste, dass es eine Revolution gegen die Kurie geben würde, der Zorn der Kardinäle war gewaltig, ein Anti-Kurie-Mann würde kommen. Ich wusste nicht, wer das sein würde, aber ich wusste, dass der Zorn auf die Kurie und die Empörung unter den Kardinälen so groß war, dass sie sich schnell auf den neuen Mann einigen würden, der einen Erdrutsch auslösen sollte.
Ich hatte keinen Tipp bekommen, ich wusste nur, wie das alles angefangen hatte, was zur Wahl dieses Papstes führte. Und angefangen hatte es mit der Liebe eines Vaters zu seinen Kindern und einem Schreibtisch – aber wie sollte ich das meinen Kollegen erklären?
Der verhängnisvolle Schreibtisch
Aber diese Ereignisse – der Rücktritt von Papst Benedikt XVI . und die überraschende Wahl von Papst Franziskus – nahmen nicht ihren Lauf, wie viele vermuten, aufgrund der kriminellen Energie einiger Verräter in der Kurie. Letzteres sollte erst später hinzukommen. Am 12. Oktober 2012, wenige Monate vor seinem Rücktritt, wird Benedikt XVI . beklagen, dass es »Unkraut« und »faule Fische« in der Kirche gebe. Doch angefangen hat das Unheil, das zum vorzeitigen Ende des Pontifikats von Benedikt XVI . führte, nicht mit krimineller Energie, sondern mit Vaterliebe. Ohne die väterliche Fürsorge des ehemaligen päpstlichen Kammerdieners Angelo Gugel für seine Töchter wäre alles ganz anders gekommen. Gugel ist es, der eine weitreichende Entscheidung herbeiführen wird: die Zahl der Schreibtische im Vorzimmer des Papstes von zwei auf drei zu erhöhen.
Päpstliche Sekretäre, die über so etwas wie das Vorzimmer des Oberhauptes der katholischen Kirche wachen, gibt es bereits im Mittelalter. Die Zahl der Sekretäre variiert jedoch sehr stark. Papst Innozenz VIII . (Pontifikat 1484–1492) verfügte über 24 apostolische Sekretäre, die unter anderem damit beschäftigt waren, sich mit seinen zahlreichen Kindern (angeblich 16 an der Zahl) herumzuschlagen. Unter all den Sekretären hatte der Papst meist einen echten Vertrauten, der Secretarius Papae oder Secretarius intimus genannt wurde. Es handelte sich meist um einen Prälaten, dem der Papst besonderes Vertrauen schenkte. In der Barockzeit nimmt der Kardinalnepot, eine Art Ministerpräsident des Papstes, die Rolle des wichtigsten Sekretärs ein. Papst Paul II . hatte das Amt während seines Pontifikats von 1534 bis 1549 etabliert. Die Päpste beriefen von nun an einen engen Verwandten, häufig einen Neffen, in dieses Amt. Schon während des Barocks wird diese Praxis stark kritisiert, der noch heute gängige Begriff »Nepotismus« (Vetternwirtschaft) geht auf diese päpstliche Praxis zurück.
Seine heutige Form nahm das Vorzimmer des Papstes aber erst nach der Abschaffung des Amts des Kardinalnepoten im Jahr 1692 an. Seitdem arbeiten die Sekretäre zusammen mit dem Papst die Unterlagen durch, die das Staatssekretariat und die verschiedenen Kongregationen der Kirche an den Papst senden. Alle wichtigen Unterlagen für den Papst, sowohl die privaten als auch alle offiziellen Dokumente der Kurie, wandern seitdem über die Schreibtische im päpstlichen Vorzimmer im Apostolischen Palast.
Jahrhundertelang standen zwei Schreibtische in diesem Vorzimmer, der des ersten und der des zweiten Sekretärs des Papstes. Doch dann kommt der Kammerdiener Angelo Gugel aus Venetien mit Papst Johannes XXIII . nach Rom. Gugel ist ein Familienmensch und mächtig stolz auf seine drei Töchter Raffaella, Carla und Flaviana. Doch im Rom der
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