Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
80er-Jahre ist es nicht einfach, einen Job für die gut ausgebildeten Frauen zu bekommen. Aber Angelo Gugel arbeitet immerhin im Vatikan, als Kammerdiener des Mannes, der das Oberhaupt von rund einer Milliarde Katholiken ist. Das größte Problem Gugels ist, dass er zwar viel mit dem Papst allein ist und ihm beim An- und Auskleiden hilft, dessen Koffer für die zahlreichen Auslandsreisen packt und ihn bei Tisch bedient, aber vom Zentrum der Macht, dem Vorzimmer des Papstes, ausgeschlossen ist. Aber in diesem Machtzentrum laufen alle wichtigen Dinge zusammen, auch Informationen über offene Stellen im Vatikan, die für seine Töchter interessant sein könnten.
Angelo Gugel hat Großes vor, er will nicht nur eine, sondern alle drei Töchter im Vatikan unterbringen. Dazu muss er es zunächst einmal in das Vorzimmer des Papstes schaffen. Seinem Drängen, als erster Kammerdiener überhaupt einen eigenen Schreibtisch im Machtzentrum, dem Vorzimmer des Papstes, zu erhalten, kommt Johannes Paul II . schließlich nach.
Kammerdiener Gugel macht sich an die Arbeit. Unermüdlich zieht er Fäden, führt Gespräche, passt auf wie ein Luchs, wenn etwas über seinen Schreibtisch im Vorzimmer des Papstes geht, das für ihn wichtig sein könnte, und das Projekt seines Lebens gelingt am Ende tatsächlich: Raffaella Gugel bekommt einen Job in der Vatikanbank, Carla Gugel in der Verwaltung der Kongregation von Propaganda Fide und Flavia Gugel im statistischen Büro des Vatikans.
Gugel hatte zweifellos Erfolg, doch er hinterlässt ein fatales Erbe, den dritten Schreibtisch im Vorzimmer des Papstes. Auf diesem dritten Schreibtisch des Kammerdieners werden schließlich die Dokumente liegen, die Angelo Gugels Nachfolger Paolo Gabriele gleich kistenweise fortschaffen wird, um zu beweisen, wie korrupt es rund um den Papst zugeht. Auf diesem Schreibtisch wird auch der Brief landen, der die für Papst Benedikt XVI . so katastrophalen Folgen haben wird. Er kommt aus den USA , aus Washington, geschrieben von dem redlichen Bischof Carlo Maria Viganò.
Korruption und Geldwäsche in Vatikan und Kirche
Das Unheil nimmt mit dem letzten Tag des Jahres 2011 seinen Lauf: Am 31. Dezember stirbt Don Luigi Maria Verzé im gesegneten Alter von 91 Jahren. Der charismatische Gründer des Großkrankenhauses San Raffaele in Segrate bei Mailand galt viele Jahre als ein leuchtendes Beispiel für einen aufopferungsvollen Priester. Doch kurz nach dem Tod von Don Verzé brechen alle Dämme: Mitarbeiter und Weggefährten packen aus und verraten, wer der Priester wirklich war. Er soll mit regelrechten Mafiamethoden gearbeitet, Drohungen und Erpressungen eingesetzt haben, um Baugrundstücke zu erhalten, die an die Ländereien des Krankenhauses grenzten und deren Besitzer nicht verkaufen wollten. Im Jahr 1976 war Don Verzé wegen Anstiftung zu Korruption zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden, 1988 wegen Verstoßes gegen das Baugesetz und Missachtung von Baugenehmigungen ein weiteres Mal. Doch damit nicht genug. Der Priester hatte ganz offensichtlich einen fatalen Hang zur Prasserei. Nach seinem Tod tauchten erste Fotos auf, die ihn in Feierlaune im Wellness-Schwimmbad eines Luxusresort in Brasilien zeigen. Er verbrachte dort keineswegs nur seinen Urlaub, die Anlage gehörte zu seinem Krankenhaus-Imperium. Um nicht die Unbequemlichkeiten eines Linienfluges nach Brasilien auf sich nehmen zu müssen, flog der Priester in einem Privatjet, um komfortabel in sein Resort zu gelangen.
Das flotte Leben des Krankenhausgründers zieht üble Konsequenzen nach sich, nach seinem Tod wird das ganze Ausmaß des Schuldenbergs des Krankenhauses bekannt. Insgesamt fehlen etwa eine Milliarde Euro. Das Krankenhaus ist pleite. Joseph Ratzingers wichtigster Vertrauensmann, Tarcisio Kardinal Bertone, will das Krankenhaus und das Andenken an Luigi Verzé retten und träumt von der Zusammenlegung mehrerer Großkrankenhäuser der katholischen Kirche, darunter auch das Prestigeobjekt des Vatikans, die römische Großklinik »Agostino Gemelli«.
Was während des Rettungsversuchs des Krankenhauses geschieht, zeigt deutlich die Nachteile einer »absoluten Monarchie« auf. Hier werden entscheidende Positionen nicht nach dem Kriterium der Befähigung besetzt, sondern nach ganz anderen Gesichtspunkten wie Frömmigkeit und vor allem persönliche Verbundenheit mit dem Monarchen, also dem Papst. Ähnlich wie bei den europäischen Königs- und Fürstenhäusern in den letzten
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