Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fratze - Roman

Titel: Fratze - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
Zuhause ist es mir zu einsam«, sagte Evie dann. »Und ich habe dieses fiese Gefühl, irgendwie
nicht real zu sein, wenn ich nicht von Leuten gesehen werde.«
    Sie sagt: »Ich hänge nicht bei Brumbach rum, um Privatsphäre zu genießen.«
    Zu Hause in meiner Wohnung hatte ich Manus mit seinen Heften. Mit diesen Schwulenpornos, die er für den Job kaufen musste, wie er behauptete. Jeden Morgen zeigte er mir beim Frühstück Hochglanzfotos von Typen, die sich selbst einen bliesen. Zusammengerollt, die Ellbogen in die Kniekehlen geklemmt, verrenkten sie sich den Hals, um an sich selbst zu würgen, vollkommen ihrem eigenen geschlossenen Kreislauf hingegeben. Man kann darauf wetten, dass jeder Mann auf dieser Welt das schon probiert hat. Und Manus erklärte mir: »Das ist es, was Männer wollen.«
    Gib mir Romantik.
    Blitz.
    Gib mir Verleugnung.
    Lauter kleine geschlossene Kreise aus einem einzelnen Typen, der so gelenkig ist oder einen so langen Schwanz hat, dass er niemand anders auf der Welt braucht, und Manus wies dann mit seinem Toast auf diese Bilder und erklärte: »Diese Typen brauchen sich nicht auf Jobs oder Beziehungen einzulassen.« Manus kaute vor sich hin und starrte die Hefte an. Während er sein weißliches Rührei auf die Gabel nahm, sagte er: »So könnte man leben und sterben.«
    Dann ging ich in die Stadt zur Taylor-Robberts-Modelschule, um mich vervollkommnen zu lassen. Hunde lecken sich den Hintern. Evie verstümmelt sich selbst. Diese ganze Nabelschau immer. Zu Hause hatte Evie niemanden, dafür hatte ihre Familie tonnenweise Geld. Als wir das erste Mal
im Stadtbus zu Brumbach fuhren, bot sie dem Fahrer ihre Kreditkarte an und bat um einen Fensterplatz. Sie hatte Sorge, ihr Handgepäck sei zu groß.
    Ich mit Manus oder sie mit sich allein, man weiß nicht, wer von uns es zu Hause schlechter getroffen hatte.
    Aber bei Brumbach konnten Evie und ich in jedem der Dutzend perfekten Schlafzimmer unser Nickerchen halten. Wir stopften uns Watte zwischen die Zehen, saßen in mit Chintz bezogenen Clubsesseln und malten uns die Nägel an. Danach lasen wir an einem langen Esstisch in unserem Taylor-Robberts-Model-Lehrbuch.
    »Das hier ist genauso wie diese künstlichen Nachbildungen von natürlichen Lebensräumen, die sie in den Zoos bauen«, sagte Evie. »So Polareiskappen aus Beton, und diese Regenwälder, die aus zusammengeschweißten Röhrenbäumen mit Sprinklern drauf gemacht sind.«
    Jeden Nachmittag spielten Evie und ich die Hauptrollen in unserem persönlichen unnatürlichen Lebensraum. Die Angestellten schlichen sich auf die Männertoilette und suchten Sex. Alle saugten wir so viel wie möglich Aufmerksamkeit auf in unserem eigenen kleinen Leinwandleben.
    Alles, was ich von Taylor Robberts noch weiß, ist, dass ich beim Gehen das Becken vorschieben muss. Die Schultern nach hinten drücken. Um Produkte in unterschiedlichen Größen vorzuführen, bringen sie dir bei, eine unsichtbare Blicklinie von dir selbst zu dem Gegenstand zu ziehen. Wenn’s um Toaster geht, ziehst du eine Linie von deinem Lächeln zu dem Toaster durch die Luft. Für einen Herd ziehst du die Linie von deinen Brüsten aus. Für ein neues Auto beginnt die unsichtbare Linie bei deiner Vagina. Letzten Endes, darauf läuft es hinaus, ist
professionelles Modeln nichts anderes, als dass man dafür bezahlt wird, übertriebene Reaktionen auf Zeugs wie Reiswaffeln oder neue Schuhe zu zeigen.
    Wir tranken Diätcola auf einem großen pinkfarbenen Bett bei Brumbach. Oder saßen an einem Schminktisch und benutzten Konturpuder, um unsere Gesichtsform zu verändern, während die blassen Umrisse von Menschen uns aus der wenige Meter entfernten Dunkelheit beobachteten. Vielleicht spiegelte sich das Licht der Strahler auf irgendwelchen Brillengläsern. Wenn jede kleine Bewegung, die man macht, aufmerksam verfolgt wird, jede Geste, alles, was man sagt, kann man leicht in einen Rausch geraten.
    »Wie friedlich und sicher es hier ist«, sagte Evie, während sie das rosa Satindeckbett glattstrich und die Kissen aufschüttelte. »Nie könnte einem hier etwas wirklich Schlimmes passieren. Anders als in der Schule. Oder zu Hause.«
    Völlig Fremde standen da in ihren Mänteln und beobachteten uns. Bei diesen Talkshows im Fernsehen ist es genauso, es ist so leicht, aufrichtig zu sein, wenn das Publikum groß genug ist. Wenn genügend Leute zuhören, kann man alles sagen.
    »Evie, Schatz«, sagte ich. »Es gibt eine Menge schlechtere Models in unserer Klasse.

Weitere Kostenlose Bücher