Fratze - Roman
Tastatur ein. Es könnte »STRAFTAT« heißen, was er getippt hat. Oder »DROGEN«. Oder »SCHUSSWAFFENGEBRAUCH«. Es könnte SCHMUGGLER sein. Oder FESTNAHME.
»Kein Wort«, flüstert Brandy neben Seths Ohr. »Wenn du redest, dann verwandle ich dich in Harvey Wallbanger, sobald wir in Seattle sind.«
Der Grenzer sagt: »Um Sie in die Vereinigten Staaten einreisen lassen zu können, muss ich bitte Ihre Pässe sehen.«
Brandy leckt sich die Lippen nass und glänzend, die feuchten Augen strahlen. Ihr Brokatschal verrutscht und legt ihr Dekolleté frei, während sie zu dem Grenzer hinaufblickt und sagt: »Würden Sie uns einen Moment entschuldigen.«
Brandy lehnt sich in ihren eigenen Sitz zurück, und Seths Seitenfenster summt ganz nach oben.
Brandys Riesentorpedos atmen tief ein und wieder aus. »Keine Panik, Leute«, sagt sie und ploppt ihren Lippenstift auf. Sie macht einen Kussmund in den Rückspiegel und stochert mit dem Lippenstift um die Ränder ihres großen Plumbagomundes, wobei sie so stark zittert, dass sie die Lippenstifthand mit der anderen großen Hand festhalten muss.
»Ich kann uns in die Staaten zurückbringen«, sagt sie, »aber dazu brauche ich ein Kondom und einen Pfefferminzbonbon.«
An dem Lippenstift vorbei sagt sie: »Bubba-Joan, sei ein Schätzchen und gib mir ein Estraderm, ja?«
Seth gibt ihr ein Pfefferminz und ein Kondom.
Sie sagt: »Wollen wir mal raten, wie lange es dauert, bis er merkt, wie ihm ein Wochenvorrat an Mädchensäften in den Arsch sickert?«
Sie ploppt den Lippenstift wieder zu und sagt: »Präparier mich, bitte.«
Ich reiche ihr ein Papiertuch und ein Östrogenpflaster.
5
S pringt weit zurück zu einem Tag, an dem viele Leute, Evie und ich eingeschlossen, vor dem Kaufhaus Brumbach stehen geblieben sind, um zuzusehen, wie ein Hund sein Bein am Krippenspiel hebt. Anschließend setzt der Hund sich hin, rollt sich auf den Rücken und leckt an seinem klumpigen, nach Hund riechenden Poloch herum, und Evie stößt mich mit dem Ellbogen an. Die Leute applaudieren und werfen mit Geldmünzen.
Danach sind wir im Kaufhaus, testen Lippenstifte auf unserem Handrücken, und ich sage: »Wie kommt es, dass Hunde sich selbst lecken?«
»Einfach, weil sie es können …«, sagt Evie.
Das war, kurz nachdem wir einen Achtstundentag an der Modelschule damit totgeschlagen hatten, unsere Haut im Spiegel zu betrachten, und ich sagte: »Evie, mach dir bloß nichts vor.«
Den Abschluss auf der Modelschule habe ich nur geschafft, weil Evie den Durchschnitt gesenkt hatte. Sie trug Lippenstift in Farbtönen, die man an der Basis eines Penis erwarten würde. Sie trug so viel Lidschatten, dass man sie für ein Versuchstier halten konnte. Allein von ihrem Haarspray ist über der Taylor-Robberts-Modelschule ein Ozonloch entstanden.
Das war lange vor meinem Unfall, als ich noch dachte, was ich für ein tolles Leben hätte.
Im Kaufhaus Brumbach, wo wir nach dem Unterricht abhingen, ist der ganze achte Stock Möbeln gewidmet. Außen rum sind Zimmer aufgebaut: Schlafzimmer, Esszimmer, Wohnzimmer, Jugendzimmer, Bibliotheken, Kinderzimmer, Familienzimmer, Geschirrschränke, Heimbüros, alles so, dass man beim Rundgang in sie reinsehen kann. Die unsichtbare vierte Wand. Alles perfekt und sauber eingerichtet, mit Teppichen und geschmackvollen Möbeln und aufgeheizt von Scheinwerfern und zu vielen Lampen. Aus verborgenen Lautsprechern zischt weißes Rauschen. Kunden bummeln daran vorbei auf schwach beleuchteten Linoleumstreifen zwischen diesen Ausstellungsräumen und den gedimmten Inseln, die das Zentrum der Etage ausfüllen, Sitzgruppen und Wohnlandschaften auf Designer-Läufern mit dazu passenden Stehlampen und künstlichen Pflanzen. Stille Inseln aus Licht und Farbe in der von Fremden wimmelnden Dunkelheit.
»Genau wie im Studio«, sagte Evie. »Kleine Sets, aufgebaut für den Dreh der nächsten Episode. Das Studiopublikum im Dunkeln sieht zu.«
Kunden schlenderten vorbei, und Evie und ich lagen lang ausgestreckt auf einem rosa Himmelbett und ließen uns auf ihrem Handy unser Horoskop durchsagen. Oder wir saßen mit untergeschlagenen Beinen auf einer mit Tweed bezogenen Couchgarnitur, mampften Popcorn und starrten auf die Fernsehtruhe, in der unsere Soaps in Farbe liefen. Zwischendurch zog Evie öfter mal ihr T-Shirt hoch, um mir ein neues Bauchnabel-Piercing zu zeigen. Oder sie zog das Ärmelloch ihrer Bluse herunter und zeigte mir die Narben von ihren Implantaten.
»In meinem echten
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