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Fratze - Roman

Titel: Fratze - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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tragen, einen Satinrock mit asymmetrischem Saum und ein trägerloses Top von Rei Kawakubo. Schultern und Ärmel aus reinem schwarzem Chiffon. Und Evie besitzt natürlich Schmuck, große Smaragde für ihre zu grünen Augen und einen Vorrat anderer Accessoires in ihrer schwarzen Unterarmtasche, damit sie das Kleid später auch beim Tanzen tragen kann.
    Ich hasse Evie.
    Und ich, mein ausgebluteter Körper verwest in diesem nuttigen Suzie-Wong-Tokyo-Rose-Konkubinenfummel, der mir gar nicht passt und den man deshalb hinter meinem Rücken mit Nadeln zusammengesteckt hat.
    Ich bin tot, und ich sehe scheiße aus.
    Ich sehe wie tote Scheiße aus.
    Am liebsten würde ich Evie durchs Telefon erstechen.
    Nein, ehrlich, würde ich zu Mrs. Cottrell sagen, während wir Evies Urne irgendwo in Amarschderwelt, Texas, in eine Familiengruft stellen. Evie wollte eingeäschert werden, ehrlich.
    Ich, bei Evies Beerdigung, ich würde ein schwarzes Gianni-Versace-Minikleid tragen aus Leder und eng wie ein Druckverband, dazu meterlange schwarze Seidenhandschuhe,
die sich an meinen Armen stauen. Ich würde neben Manus auf der Rückbank des großen schwarzen Bestattungs-Cadillacs sitzen, auf dem Kopf so ein Wagenrad von einem schwarzen Christian-Lacroix-Hut mit einem schwarzen Schleier, den man später abnehmen könnte, wenn man eine schicke Auktionsvorschau oder Immobilienverkaufsveranstaltung oder so was besuchen und dann essen gehen möchte.
    Evie, die wäre dann Staub. Okay: Asche.
    Allein in ihrem Wohnzimmer, nehme ich ein kristallenes Zigarettenkästchen von dem Tisch, der wie ein Malachitblock aussieht, und schmeiße dieses kleine Schmuckstück an die gemauerte Kamineinfassung. Zigaretten und Streichhölzer fliegen überall durch die Gegend.
    Bourgeoises Mädchen, das ich bin, wünsche ich mir plötzlich, ich hätte das alles nicht getan, knie mich hin und beginne die ganze Schweinerei aufzusammeln. Kristallsplitter und Zigaretten. Trotzdem, Evie … ein Zigarettenkästchen. So was von rückständig.
    Und Streichhölzer.
    Etwas zwickt mich in den Finger, ich habe mich an einer Scherbe geschnitten, so dünn und durchsichtig, dass sie unsichtbar ist.
    Ah, das macht einen ganz verrückt.
    Erst als Blut kommt und die Scherbe rot umrandet, erst da kann ich sehen, was mich geschnitten hat. An dem Glassplitter, den ich herausziehe, klebt mein Blut. Mein Blut an einem Streichholzbriefchen.
    Nein, Mrs. Cottrell. Nein, ehrlich, Evie wollte eingeäschert werden.
    Ich lass den Scherbensalat, wie er ist, laufe herum und hinterlasse Blut an sämtlichen Lichtschaltern und Lampen,
die ich alle ausmache. Ich laufe an der Garderobe vorbei, und Manus ruft: »Bitte«, aber was mir jetzt eingefallen ist, ist einfach zu aufregend.
    Ich mache alle Lampen im Erdgeschoss aus, und Manus schreit. Er muss aufs Klo, ruft er. »Bitte.«
    Evies riesiges Südstaatenhaus mit den riesigen Säulen vorne ist komplett dunkel, als ich ins Esszimmer zurücktappe. Ich ertaste den Türrahmen und zähle zehn bedächtige, blinde Schritte über den Orientteppich zum Esstisch mit seinem spitzenbesetzten Tischtuch.
    Ich zünde ein Streichholz an. Ich zünde eine der Kerzen in dem großen silbernen Kerzenständer an.
    Okay, das ist wie in einem Schauerroman, aber ich zünde alle fünf Kerzen in dem Ständer an, der so schwer ist, dass ich ihn nur mit beiden Händen hochheben kann.
    Immer noch in das Satin-Negligee und den mit Straußenfedern verzierten Morgenmantel gehüllt, steige ich als Geist eines schönen toten Mädchens mit diesem Kerzenständer Evies weit geschwungene Treppe nach oben. Vorbei an all den Ölgemälden, dann durch den Flur im ersten Stock. Im großen Schlafzimmer öffnet die geisterhafte Schöne im kerzenschimmernden Satin sämtliche Schränke, in denen alle ihre Kleider hängen, zu Tode gedehnt von der bösen Riesin Evie Cottrell. Die gefolterten Leiber von Kleidern und Pullovern und Kleidern und Hosen und Kleidern und Jeans und Morgenmänteln und Schuhen und Kleidern, fast alles verunstaltet und verzerrt und verzweifelt danach schreiend, erlöst zu werden.
    Der Fotograf in meinem Kopf sagt: Gib mir Zorn.
    Blitz.
    Gib mir Rache.

    Blitz.
    Gib mir totale und absolut berechtigte Vergeltung.
    Blitz.
    Der bereits tote Geist, der ich bin, das nicht stattfindende, zu allem ermächtigte unsichtbare Nichts, das aus mir geworden ist, ich schwenke den Kerzenhalter an all diesen Sachen vorbei und:
    Blitz.
    Wir stehen hier vor Evies ungeheuerlichem Mode-Inferno.
    Das zum

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