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Fratze - Roman

Titel: Fratze - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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hältst ihn falsch.«
    »Schätzchen«, sagt der Fotograf zu Evie, »könntest du die Kettensäge etwas näher an deinen Mund halten, bitte?«
    Die Sonne brennt heiß auf das Metall der Karosserien, deren Dächer vom Aufeinanderstapeln alle eingequetscht sind. Hier sind Autos mit eingedellten Kühlerhauben, da weiß man, die haben keine Gefangenen gemacht. Autos mit verbeulten Seiten, in denen ganze Familien gestorben sind. Von hinten zertrümmerte Autos, wo die Rückbänke fest ans Armaturenbrett gedrückt sind. Autos aus der Zeit, als es noch keine Sicherheitsgurte gab. Aus der Zeit, als es noch keine Airbags gab. Keine Rettungsscheren. Keine Sanitäter. Autos mit Sprengkratern um ihre explodierten Tanks.
    »Das ist phantastisch«, sagt Evie. »Mein ganzes Leben lang habe ich dafür gearbeitet, an einem solchen Ort arbeiten zu dürfen.«
    Der Art-Director sagt, jetzt schiebt mal eure Brüste an die Autos.
    »Als ich ein Mädchen war«, sagt Evie, »habe ich immer gedacht, wenn ich mal eine Frau bin, dann wäre das nicht … so eine Enttäuschung.«
    Ich wollte immer nur ein Einzelkind sein.
    Der Fotograf sagt: »Perfecto.«

17
    D ie Rhea-Schwestern, das sind drei knochendürre weiße Männer, die den ganzen Tag in Nylonunterröcken, deren Träger dauernd von der einen oder anderen Schulter rutschen, und Stöckelschuhen in einer Suite des Congress-Hotels herumsitzen und Zigaretten rauchen. Kitty Litter, Sofonda Peters und die aufgeweckte Vivienne VaVane. Ihre Gesichter glänzen von Feuchtigkeitscreme und Eiweiß-Packungen, sie lauschen dieser Eins-zwei-Cha-Cha-Musik, die man nur noch in Fahrstühlen hört. Die Haare der Rhea-Schwestern, ihre Haare sind kurzgeschnitten und mit Pomade angeklatscht und mit tausend Haarklammern festgesteckt. Vielleicht haben sie, falls draußen nicht gerade Sommer ist, ein Perückennetz über die Nadeln gezogen. Die Jalousien sind immer runtergelassen, und auf dem automatischen Plattenwechsler liegen etwa ein Dutzend Cha-Cha-Platten.
    Die Möbel sind alle blond, und die große vierbeinige RCA-Victor-Stereotruhe, mit der alten Nadel von diesem Kasten könnte man einen Acker pflügen, und der metallene Tonarm wiegt gut und gern zwei Pfund.
    Darf ich vorstellen:
    Kitty Litter.
    Sofonda Peters.
    Die aufgeweckte Vivienne VaVane.
    Alias die Rhea-Schwestern, wenn sie auf der Bühne stehen.
Die sind ihre Familie, erzählte mir Brandy Alexander in der Praxis der Sprachtherapeutin. Nicht bei unserer ersten Begegnung, nicht, als ich Brandy unter Tränen erzählte, wie ich mein Gesicht verloren hatte. Auch nicht beim zweiten Mal, als Brandy ihren Nähkorb mit all den Sachen mitbrachte, mit denen ich mein Monstergesicht verhüllen konnte. Sondern bei einem unserer vielen anderen heimlichen Treffen, solange ich im Krankenhaus war. In der Praxis der Sprachtherapeutin hatten wir uns bloß kennengelernt.
    »Normalerweise«, sagt Brandy, »bleicht Kitty Litter unerwünschte Gesichtsbehaarung und zupft sie aus. Diese unansehnlichen Haare können ein Badezimmer stundenlang blockieren, aber Kitty würde auch ihre Ray-Bans verkehrt herum tragen, weil sie sich so gern im Spiegel sieht.«
    Die Rheas haben Brandy zu dem gemacht, was sie ist. Ihnen hat Brandy alles zu verdanken.
    Brandy schloss immer die Praxistür ab, und wenn jemand bei der Sprachtherapeutin anklopfte, machten Brandy und ich laute Orgasmusgeräusche. Kreischten und quiekten und patschten auf den Fußboden. Ich schlug mir in die Hände, um dieses besondere Klapsgeräusch zu erzeugen, das jeder kennt. Und jeder, der geklopft hatte, ging ganz schnell wieder weg.
    Und wir konnten mit Schminken und Erzählen weitermachen.
    »Sofonda«, erzählte Brandy, »Sofonda Peters, die deichselt das alles. Miss Peters, die hat den ganzen Tag ihre Porzellannägel in der Wählscheibe ihres rosa Telefons und verhandelt mit Agenten oder Geschäftsleuten und verkauft, verkauft, verkauft.«

    Jemand klopfte an, und sofort legte ich los, schrie wie eine Katze und klatschte mir auf die Schenkel.
    Die Rhea-Schwestern, erzählte Brandy, ohne die wäre sie tot. Als die sie fanden, die Prinzessin Queen Supreme, hatte sie Größe sechsundzwanzig und trat als Playback-Sängerin in Amateurwettbewerben auf. Bewegte die Lippen zum »Däumelinchen«-Titelsong.
    Ihre Haare, ihre Figur, ihren hüftschwenkenden Brandy-Alexander-Gang, das alles haben die Rhea-Schwestern erfunden.
     
    Springt zu zwei Feuerwehrwagen, die mir entgegenkommen, als ich den Freeway Richtung Innenstadt

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