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Fratze - Roman

Titel: Fratze - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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würdest.«
    Springt zu einem weiteren bizarren, elenden Gefühl der Enttäuschung, das über den Horizont gekrochen kommt.
    Springt zu mir, wie ich von ihrer großen Wiedergutmachung erfasst werde, ihrer großen Buße für das, was vor etlichen Jahren war, als mein Vater rumbrüllte: »Wir wissen nicht, was für dreckige Krankheiten du hier ins Haus schleppst, Mister, aber für heute Nacht kannst du dir einen anderen Platz zum Schlafen suchen.«
    Sie nannten das strenge Liebe.
    Das ist derselbe Esstisch, an dem Mom Shane mitteilte: »Heute hat die Praxis von Doktor Peterson angerufen.« Zu mir sagte sie: »Du kannst in dein Zimmer gehen und lesen, junge Dame.«
    Ich hätte bis zum Mond gehen können und hätte das Geschrei trotzdem gehört.
    Shane und meine Eltern waren im Esszimmer, ich stand in meinem Zimmer hinter der Tür. Meine Sachen, der Großteil meiner Schulkleidung, hingen draußen auf der Wäscheleine. Drinnen sagte mein Vater: »Es ist keine Streptokokken-Infektion, was du hast, Mister, und wir würden gern mal wissen, wo du gewesen bist und was du da getrieben hast.«

    »Drogen«, sagte meine Mom, »damit könnten wir klarkommen.«
    Shane sagte die ganze Zeit kein Wort. Sein Gesicht noch immer glänzend und von Narben zerfurcht.
    »Teenagerschwangerschaft«, sagte meine Mom, »auch damit könnten wir klarkommen.«
    Kein einziges Wort.
    »Doktor Peterson«, sagte sie. »Er meinte, es gibt eigentlich nur eine Möglichkeit, die Krankheit so zu bekommen, wie du sie hast, aber ich habe zu ihm gesagt, nein, nicht unser Kind, nicht du, Shane.«
    Mein Vater sagte: »Wir haben deinen Trainer Mr. Ludlow angerufen, und er sagt, du hättest vor zwei Monaten mit Basketball aufgehört.«
    »Du wirst dich morgen beim Kreisgesundheitsamt melden müssen«, sagte meine Mom.
    »Heute Abend«, sagte mein Vater. »Wollen wir dich hier nicht mehr sehen.«
    Unser Vater.
    Diese Leute, die jetzt so gut, verständnisvoll und engagiert sind, diese Leute, die Identität und Erfüllung finden im Kampf an vorderster Front um Gleichheit, Würde und gleiche Rechte für ihren toten Sohn, das sind dieselben Leute, die ich durch meine Zimmertür herumschreien höre.
    »Wir wissen nicht, was für dreckige Krankheiten du hier ins Haus schleppst, Mister, aber heute Nacht kannst du dir einen anderen Platz zum Schlafen suchen.«
    Ich erinnere mich, dass ich nach draußen gehen und meine Sachen holen wollte, um sie zu bügeln, zusammenzulegen und wegzupacken.
    Gib mir irgendein Gefühl von Kontrolle.

    Blitz.
    Ich erinnere mich, wie die Haustür auf- und wieder zuging, ohne Knall. Da das Licht in meinem Zimmer an war, konnte ich im Fenster nur mein eigenes Spiegelbild sehen. Als ich das Licht ausmachte, stand da Shane, genau vor meinem Fenster, blickte zu mir ins Zimmer, das Gesicht horrorfilmmäßig zerfleischt und verzerrt, dunkel und hart von der Haarspray-Explosion.
    Gib mir Schrecken.
    Blitz.
    Soviel ich wusste, rauchte er nicht, aber jetzt zündete er ein Streichholz an und hielt es an eine Zigarette in seinem Mund. Er klopfte ans Fenster.
    Er sagte: »He, lass mich rein.«
    Gib mir Verleugnung.
    Er sagte: »He, es ist kalt.«
    Gib mir Unwissenheit.
    Ich machte das Licht im Zimmer wieder an, so dass ich nur mich selbst im Fenster sehen konnte. Dann zog ich die Vorhänge zu. Ich habe Shane nie wiedergesehen.
    Heute Abend, wo die Lichter aus sind, die Vorhänge geschlossen und die Haustür abgeschlossen, wo Shane verschwunden, sein Geist aber noch da ist, frage ich: »Was für eine Parade?«
    Meine Mom sagt: »Die Gay-Pride-Parade.«
    Mein Dad sagt: »Wir marschieren mit FELS.«
    Und sie möchten, dass ich mit ihnen marschiere. Sie möchten, dass ich hier mit ihnen im Dunkeln sitze und so tue, als wäre es die Außenwelt, vor der wir uns verstecken. Als wäre es irgendein hasserfüllter Unbekannter, der es nachts auf uns abgesehen hat. Als ginge es um eine außerirdische tödliche Geschlechtskrankheit.
Sie würden gern glauben, dass es irgendein eifernder Schwulenhasser ist, vor dem sie Angst haben. Es ist alles nicht ihre Schuld. Sie möchten, dass ich glaube, ich hätte etwas gutzumachen.
    Ich habe diese Haarspraydose nicht weggeworfen. Ich habe bloß das Licht in meinem Zimmer ausgemacht. Dann waren da die Feuerwehrwagen, die aus der Ferne immer näher kamen. Oranges Licht flackerte von außen über meine Vorhänge, und als ich aus dem Bett kroch, um zu sehen, was los war, brannte draußen meine Schulkleidung. Trocken an der

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