Fratze - Roman
Denver Omelet«, sagt Brandy. »Denver
Omelet, darf ich Ihnen Daisy St. Patience vorstellen.« Brandys ringbesetzte Hand öffnet sich zu voller Blüte und legt sich auf die hundertzwanzig Zentimeter ihrer mit Silikon gefüllten Pracht. »Die hier«, sagt sie, »das hier ist Brandy Alexander.«
21
S pringt zurück zu Brandy und mir irgendwann in der Praxis der Sprachtherapeutin, als Brandy mich mit meinen Händen unter meinem Schleier erwischt, wie ich die Muschel- und Elfenbeinflächen meiner freiliegenden Backenzähne befühle und über das geprägte Leder meines Narbengewebes streiche, trocken und blankpoliert von meinem Atem. Ich berühre den Speichel, der an den Seiten meines Halses in klebrigen Streifen angetrocknet ist, und Brandy sagt, ich soll mich nicht zu genau betrachten.
»Schätzchen«, sagt sie, »in Zeiten wie diesen hilft es, sich wie ein Sofa oder eine Zeitung zu sehen, wie ein Ding, das von vielen Leuten hergestellt wurde, aber nicht für die Ewigkeit.«
Der offene Rand meiner Kehle fühlt sich an wie aus Plastik, wie aus groben Fäden gestrickt und mit steifen Einsätzen verstärkt. So fühlt sich auch ein trägerloses Kleid an, das von eingenähten Draht- oder Plastikstreben gehalten wird. Hart, aber warm, so wie Rosa aussieht. Knochig, aber mit weicher, berührbarer Haut bedeckt.
Eine solche akute traumatische, nicht rekonstruierte Mandibulektomie kann vor der Dekanülierung des Tracheostomietubus zu Schlafapnoe führen, haben die Ärzte gesagt. So haben sie bei der morgendlichen Visite untereinander geredet.
Und die Leute finden mich schwer verständlich.
Mir sagten die Ärzte, wenn sie mir nicht irgendeine Art von Unterkiefer machen würden, zumindest irgendeine Art von Verschluss, sagten sie, könnte ich jederzeit im Schlaf sterben. Ich würde einfach aufhören zu atmen und nicht mehr aufwachen. Ein schneller, schmerzloser Tod.
Ich schrieb auf meinen Block:
schön wär’s.
Wir sind in der Praxis der Sprachtherapeutin, und Brandy sagt: »Es hilft zu wissen, dass du für dein Aussehen ebenso wenig verantwortlich bist wie ein Auto«, sagt Brandy. »Du bist auch nur ein Produkt. Das Produkt eines Produkts eines Produkts. Die Leute, die Autos bauen, sind Produkte. Deine Eltern sind Produkte. Deren Eltern waren Produkte. Deine Lehrer: Produkte. Der Pfarrer in deiner Kirche: auch er ein Produkt«, sagt Brandy.
Manchmal kommt man am besten mit allem zurecht, sagt sie, wenn man sich nicht für was Besonderes hält.
»Worauf ich hinauswill«, sagt Brandy, »du kannst der Welt nicht entkommen, und du bist nicht für dein Aussehen verantwortlich, egal ob du wunderschön oder potthässlich bist. Du bist nicht verantwortlich dafür, wie du dich fühlst oder was du sagst oder was auch immer du tust. Das liegt alles nicht in deiner Hand«, sagt Brandy.
Genau wie eine CD nicht verantwortlich dafür ist, was auf ihr aufgezeichnet ist. Du bist in deinem Handeln ungefähr so frei wie ein programmierter Computer. Du bist ungefähr so einmalig wie ein Ein-Dollar-Schein.
»Es gibt kein echtes Du in dir «, sagt sie. »Sogar dein Körper, alle deine Zellen sind innerhalb von acht Jahren ausgetauscht.«
Haut, Knochen, Blut und Organe - alles wird von Mensch zu Mensch verpflanzt. Selbst was in dir drin ist, die Kolonien von Mikroben und Bazillen, die dein Essen für dich fressen - ohne die würdest du sterben. Nichts von dir gehört hundertprozentig dir. Alles von dir ist geerbt.
»Entspann dich«, sagt Brandy. »Egal was du denkst, Millionen andere Leute denken dasselbe. Egal was du tust, sie tun es auch, und keiner von euch ist dafür verantwortlich. Ihr alle seid das Produkt einer gemeinschaftlichen Anstrengung.«
Unter meinem Schleier betaste ich den feuchten Stummel der Zunge eines mutwillig zerstörten Produkts. Die Ärzte hatten vorgeschlagen, meine Kehle mit einem Teil meines Dünndarms zu verlängern. Sie wollten Stücke von meinen Schien- und Wadenbeinen nehmen, von dem menschlichen Produkt, das ich bin, und mir, dem Produkt, daraus einen neuen Unterkieferknochen bauen.
Auf meinen Block schrieb ich:
beinknochen verbunden mit kopfknochen?
Die Ärzte kapierten das nicht.
Nun hört die Worte des Herrn.
»Du bist ein Produkt deiner Sprache«, sagt Brandy, »ein Produkt unserer Gesetze und unserer Vermutungen darüber, wie unser Gott uns haben möchte. Jedes winzige Teilchen von dir ist schon von Millionen Leuten vor dir zu Ende gedacht worden«, sagt sie. »Alles, was du tun
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