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Fratze - Roman

Titel: Fratze - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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    »Seine Hose«, sagt Brandy, »ist nass.«
    Jetzt sieht Manus zu mir hin, richtet sich auf und stößt mit dem Schädel an den offenen Kofferraumdeckel. Mannomann, das tut echt weh, wird aber erst zum Drama, als Brandy Alexander überreagiert und »Ach, du Ärmster« sagt.
    Jetzt fängt Manus an zu heulen. Manus Kelley, der letzte Mensch, der das Recht dazu hat, bricht in Tränen aus.
    Ich hasse das.

    Springt zu dem Tag, wo die Hauttransplantate zwar schon verheilt sind, das Gewebe aber immer noch Unterstützung braucht. Auch wenn die Transplantate jetzt zu groben klumpigen Kieferkonturen zusammengewachsen sind, fehlt ja immer noch der Kieferknochen. Ohne Unterkieferknochen wird die weiche, lebende Gewebemasse vielleicht einfach wieder resorbiert.
    Dieses Wort haben die Schönheitschirurgen benutzt.
    Resorbiert.
    Von meinem Gesicht resorbiert, als sei ich ein Schwamm aus Haut.
     
    Springt zu dem weinenden Manus. Brandy beugt sich über ihn und streichelt gurrend sein sexy Haar.
    Im Kofferraum liegt ein Paar bronzefarbener Babyschuhe. Eine silberne Warmhalteplatte. Ein Bogen Millimeterpapier, auf den jemand einen Truthahn aus ungekochten Makkaroni geklebt hat.
    »Wisst ihr«, schnieft Manus und fährt mit dem Handrücken über seine Oberlippe. »Ich bin jetzt high, und da kann ich euch das sagen.« Er sieht Brandy an, die sich über ihn beugt, und dann mich, die auf der Erde kauert. »Erst«, sagt Manus, »geben deine Eltern dir dein Leben, aber dann versuchen sie, dir ihr Leben zu geben.«
     
    Um dir einen Unterkiefer zu machen, brechen die Chirurgen Teile von deinen Schienbeinen ab, komplett mit den daran hängenden Arterien. Zunächst wird der Knochen freigelegt und gleich noch in deinem Bein in Form gebracht.
    Eine andere Methode geht so: Die Chirurgen brechen mehrere andere Knochen, vorzugsweise lange Knochen
in deinen Amen und Beinen. In diesen Knochen befindet sich das weiche spongiöse Knochengewebe.
    So haben das die Chirurgen genannt, und so steht es in den Büchern.
    Spongiös.
     
    »Meine Mom«, sagt Manus, »und ihr neuer Mann - meine Mom heiratet ziemlich oft - haben sich in Bowling River in Florida eine Ferienwohnung gekauft. Leute unter sechzig können sich da nichts kaufen. Da gibt es eigens ein Gesetz.«
    Ich sehe Brandy an, die sich immer noch wie eine überreagierende Mutter verhält, sich vor ihn hinkniet und ihm die Haare aus der Stirn streicht. Ich schaue über den Rand der Klippe neben uns. Diese kleinen blauen Lichter in allen Häusern, das sind Leute vor Fernsehgeräten. Tiffany-hellblau. Valiumblau. Leute in Gefangenschaft.
    Erst meine beste Freundin und jetzt mein neuer Bruder versucht mir meinen Verlobten zu klauen.
    »Voriges Jahr zu Weihnachten habe ich sie besucht«, sagt Manus. »Die Ferienwohnung meiner Mom liegt direkt am achtzehnten Grün, und die beiden sind ganz begeistert davon. Der Altersdurchschnitt in Bowling River ist total irre. Meine Mom und mein Stiefvater sind gerade sechzig geworden, und sie sind die Jüngsten dort. Und alle diese alten Knacker da sehen in mir bloß einen, der ihre Autos klauen will.«
    Brandy leckt sich die Lippen.
    »Am Altersdurchschnitt von Bowling River gemessen«, sagt Manus, »bin ich noch gar nicht geboren.«

    Man muss hinreichend große Späne von diesem weichen blutigen Knochengewebe herausbrechen. Von diesem spongiösen Zeug. Dann muss man diese Späne in das weiche Gewebe einsetzen, das man auf dein Gesicht transplantiert hat.
    Genaugenommen tut man das nicht selbst, das tun die Chirurgen, während man schläft.
    Wenn die Späne dicht genug gelagert sind, bilden sie Fibroblastenzellen, um sich miteinander zu verbinden. Auch dies ein Wort aus den Büchern.
    Fibroblasten.
    Auch das dauert Monate.
     
    »Meine Mom und ihr Mann«, sagt Manus im offenen Kofferraum seines Fiat Spider oben auf Rocky Butte, »ihr größtes Weihnachtsgeschenk für mich ist ein Pappkarton in Geschenkpapier. Format etwa wie eine High-End-Stereoanlage oder ein Breitbildfernseher. So was erhoffe ich mir jedenfalls. Ich meine, es hätte auch irgendwas anderes sein können, alles hätte mir besser gefallen.«
    Manus stellt einen Fuß auf den Boden, dann den anderen. Als er steht, dreht er sich zu dem mit Silberzeug gefüllten Fiat um.
    »Nein«, sagt Manus, »die haben mir diesen Scheiß geschenkt.«
    Manus in seinen Kampfstiefeln und dem militärischen Tarnanzug nimmt eine große dickbäuchige silberne Teekanne aus dem Kofferraum und betrachtet in der

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