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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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der neben ihm hinter dem Tresen stand und kaum mit Einschenken nachkam, das halb gefüllte Bierglas in die Hand.
    „Mach du weiter“, raunte er Julius Mädlin zu und konnte ein leichtes Zittern in seiner Stimme nicht verhindern. Er zerrte das Geschirrtuch aus dem Hosenbund und warf es neben die Spüle. Dann eilte er, ohne auf den empörten Aufschrei der Matrosen zu reagieren, aus dem Raum.
    Genauso wenig bemerkte er den Blick des Kapitäns, der ihn misstrauisch verfolgte.
     
    „Sanni “, grüßte er mit seiner seidig weichen Stimme, als er durch das geöffnete Schott auf das Bootsdeck trat und seinen Schritt verlangsamte, bis er eine Armlänge hinter der Funkerin Halt machte. „Das war schon immer dein Lieblingsplatz. Ich wusste, ich würde dich hier finden.“
    S ie hatte die Ellenbogen auf die Reling gestützt und das Gesicht in den Händen vergraben. Auch als er hinter sie trat und leicht ihre Schulter berührte, drehte sie sich nicht um.
    „Susanni, ich freue mich , dich wiederzusehen.“
    Suse schwieg einen so langen Augenblick, dass die Stille Zeit hatte, sich bemerkbar zu machen. Schließlich hob sie kurz den Kopf und deutete ein flüchtiges Nicken an.
    „Hallo, Ossi.“
    „Adrian“, berichtigte er leise und hörte, wie sie verächtlich die Luft ausstieß und gelangweilt wiederholte: „Hallo, Adrian.“
    Der emotionslose Ton, in dem sie seinen Namen aussprach, hinterließ einen faden Nachgeschmack bei ihm. Nein, nicht fad, es schmeckte anders, mehr nach bitterer Schokolade. Er erinnerte sich nur allzu deutlich, dass sie bittere Schokolade nie angerührt hatte. Die zarte Süße von Nugat, welches auf der Zunge zergeht, war völlig aus ihrer Stimme verschwunden. Mühsam zwang er sich zur Ruhe. Ein ganzes Jahr lag trennend zwischen ihnen. Was hatte er denn erwartet?
    „Ich habe dich vermisst.“
    „Ja.“
    „Ja, ich dich … auch?“, drängte er sanft, doch Suse schüttelte unwillig den Kopf.
    „Wie geht es dir?“
    „Ich kann mir nicht vorstellen, dass dir eine ehrliche Antwort gefallen würde.“
    „Sanni …“
    „Na schön. Es ginge mir wesentlich besser, wenn wir uns nicht noch einmal begegnet wären“, blaffte sie gereizt.
    Er hatte mit allen möglichen Reaktionen gerechnet, diese Worte allerdings trafen ihn völlig unvorbereitet. Er hielt den Atem an. Es war, als hätte ihm jemand einen Schlag in die Magengrube versetzt.
    Mit der Geschwindigkeit tektonischer Platten wandte sie sich ihm zu und betrachtete ihn mit einem Ausdruck äußerster Gelassenheit und Ruhe. Ihr Gesicht zeigte keinerlei Regung, nicht das kleinste Willkommen konnte er in ihrer Miene erkennen.
    „Ich habe lange gebraucht, um das alles zu vergessen, auch dich. Wahrscheinlich sogar in der Hauptsache dich.“
    Er starrte sie sprachlos an, als warte er darauf, dass sie gleich zu la chen anfing, weil sie ihn wieder einmal veralberte. Sie liebte es, ihre Scherze auf seine Kosten zu machen. Daran hatte sich bestimmt nichts geändert. Doch ihr Blick blieb völlig teilnahmslos. Sie hatte es ernst gemeint! Eine eisige Faust krallte sich um sein Herz.
    „ Warum, Sanni? Warum … mich vergessen?“ Er schluckte angestrengt an dem erstickenden Kloß in seinem Hals. „Ich habe nach dir gesucht, aber niemand gab mir eine vernünftige Auskunft. Nicht einmal deine Adresse wollte mir die Reederei nennen.“
    „Ja und? Das ist richtig , ich wollte dich nicht mehr sehen. Und es ist ja wohl nicht zu viel verlangt, diesen simplen Wunsch zu respektieren.“
    „Ich verstehe nicht.“
    „ Was gibt es da nicht zu verstehen? Ich wollte meinen Frieden finden, wollte nicht mehr – von nichts und niemandem – daran erinnert werden, was passiert war. Ich wollte nicht mehr darüber nachdenken, über die Gründe und wem die Schuld anzulasten ist. Es hat mich nicht mal interessiert, was aus den anderen nach dem Untergang geworden ist, weil ich bloß so vergessen konnte.“
    „Hat es dir denn gar nichts bedeutet, was wir …“
    „Ich bin gerettet worden, war am Leben. Aber nein, es hat mir nichts bedeutet“, behauptete sie und verstand Adrians Frage absichtlich falsch. „Ich habe mich lange Zeit wie tot gefühlt. Genau wie Simone und Svend. Tot wie das Kind, mit dem ich schwanger war.“
    Trotz der Dunkelheit konnte sie erkennen, wie er bei ihren Worten blass wurde und einen Schritt zurück taumelte. Lediglich mit Mühe bewahrte er seine Fassung und verhinderte doch nicht, dass ihm Tränen in die Augen stiegen.
    „Ein Kind? Mein … m

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