Frau an Bord (Das Kleeblatt)
heißt, dass derjenige mit Vorliebe Schwarz und Weiß trägt, der so wenig Individualität wie irgend möglich zeigen will. Trifft das auf dich zu? Hast du etwas zu verbergen und versteckst deswegen deine Persönlichkeit irgendwo im Hintergrund?“
„ Wie kommst du darauf?“, stieß er schneidend hervor.
S usanne bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick, winkte resigniert ab und seufzte: „Manche Fragen braucht man einfach nicht stellen. Zumindest nicht dir! Weil man nämlich bereits im Voraus die Antwort kennt. Ich muss es wohl verdrängt haben.“
Sie schenkte seinem fassungslosen Gesichtsausdruck keinerlei Beachtung, sondern wickelte sich gelangwe ilt eine Strähne um den Finger. „Keine Panik, das sollte kein Vorwurf an deine Adresse sein“, versicherte sie ihm. „Du hast vollkommen Recht, über solche Dinge sollten wir auf einer Couch ausgestreckt reden und nicht hier, unter einem Himmel, an dem die Sterne funkeln und der die wildesten Träume aufleben lässt.“
Adrian vermutete, dass Suse ihren Erinnerungen an eine ähnlich laue Nacht nachhing, die sie mit Ronald Skujin auf dem Bootsdeck der „Fritz Stoltz“ verbracht hatte. Oder sollte das ein Wink mit dem Zaunpfahl für ihn sein? Nein, er hatte keine Träume, von denen er ihr erzählen konnte. Nichts, was er mit jemandem teilen durfte. Das war ein Luxus, den er sich nicht leisten konnte.
„Eins noch . Etwas, das ich dich immer schon fragen wollte.“ Sie kicherte albern und hielt sich die Hand vor den Mund. „Hattest du eigentlich jemals ein Verhältnis … ein intimes Verhältnis mit Simone? Vor mir oder während meiner Zeit?“
Denn ein Danach hatte es für die Stewardess nicht gegeben.
Adrian fuhr entsetzt zurück und wurde kalkweiß. Hatte er sich verhört? Ungläubig schüttelte er den Kopf. Angesichts dessen, was zwischen ihnen noch ungesagt war, interessierte sie lediglich, ob er mit Sissi ein Verhältnis hatte? Nach einem Jahr war das ihre erste Frage an ihn! Nein, er verstand nicht, was in dieser Frau vorging. Es würde ihm wohl nie gelingen, sie zu verstehen. Aber warum quälte sie ihn so? Er kämpfte gegen den glühenden Schmerz, zwängte ihn in eine kleine Schachtel, die er tief in seinem Inneren verstaute, weil er andernfalls die nächsten paar Minuten und Tage und Wochen nicht überleben würde.
Er würgte den Kloß in seinem Hals hinab und antwortete schließlich in einem nüchternen Ton: „Ich hatte kein Verhältnis mit Simone, obwohl wir uns sehr gern mochten. Immerhin sind wir mehrere Reisen miteinander gefahren. Wir waren Freunde. Und wir haben gemeinsam gearbeitet.“
„Ja, stimmt. Ich glaube, ich habe von dir gar keine andere Antwort erwartet.“ Sie grinste und zupfte ihn an der Nasenspitze. „Und? Wie sieht es aus? Bist du inzwischen vorsichtiger?“
Jedes ihrer Worte war eine schallende Ohrfeige für ihn, sodass er vor Schmerz am liebsten aufgeschri en hätte. Trotzdem blieb er äußerlich ruhig und gelassen, wenngleich er sich innerlich krümmte. „Ich bin besser vorbereitet, wenn du das meinst.“
Sie nickte und murmelte: „Die Stimme der Vernunft.“
Ja, sie glaubte ihm sogar das. Und hätte er behauptet, ein Jahr lang völlige Enthaltsamkeit geübt zu haben, hätte sie sein Wort nicht einen Moment in Zweifel gezogen. Zum einen wusste sie von Adrians Unfähigkeit zu lügen, andererseits hatte auch sie sich nicht wieder auf einen Mann einlassen können. Adrian hätte immer zwischen ihnen gestanden.
„ Und noch etwas musst du mir verraten: Hast du damals im Ernst gemeint, was du gesagt hast? In meiner Kammer, in der Nacht, als wir abgesoffen sind.“
„ Ich glaubte, du hättest mir nicht zugehört.“ Ihm war anzusehen, wie er sich vor Unbehagen wand und um eine Erklärung rang. „Du hast nicht reagiert und ich … ich wusste irgendwann nicht mehr, was ich machen sollte. Ich musste dich nach oben bringen, unter allen Umständen, irgendwie. Die Zeit drängte. Und deswegen habe ich … irgendetwas gesagt … Ich wollte dich niemals verletzen. Nicht mit böser Absicht. Das war … du hast mir … diese Worte sehr übel genommen.“
„Nun, sagen wir mal so: Ich habe nicht eines dieser Worte, wie du es gelinde ausdrückst, vergessen , denn genaugenommen waren es wüste Beschimpfungen, unerträgliche Frechheiten und haltlose Anschuldigungen. Es war so demütigend, mir das anhören zu müssen. Und hätte ich ein Messer bei der Hand gehabt, das schwöre ich dir, ich hätte nicht eine Sekunde gezögert, es
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