Frau an Bord (Das Kleeblatt)
die Großstadt mit dem an der Ostsee gelegenen Vorort verband.
Allmählich fand Suse ihr inneres Gleichgewicht wieder. Zumindest klang ihre Stimme eine Spur unbekümmerter, als sie den Koch resolut am Ärmel neben sich an die Reling zog und mit ausgestrecktem Arm über den Fluss in Richtung Nordwesten deutete. „Habe ich dir jemals erzählt, dass ich dort die vier aufregendsten Jahre meines Lebens verbracht habe? Es ist gerade mal ein Jahr her, trotzdem scheint seitdem eine Ewigkeit vergangen zu sein. Damals schien alles so einfach, so vorhersehbar. Da drüben habe ich Pläne für eine Zukunft geschmiedet, wie sie fantastischer nicht hätten sein können.“
„Ich kenne die Schule“, sagte Adrian, verbesserte sich aber rasch, „natürlich nur das Wohnheim und die Studentenbar.“
Suse nickte und kicherte: „Der berüchtigte ‚Sumpf’. Meine Güte, wer kennt den nicht?“
Sie erinnerte sich, dass Adrian an Bord der „Fritz Stoltz“ von seinem besten Freund erzählt hatte. Der fuhr als Nautiker zur See und musste folgerichtig ebenfalls an dieser Einrichtung studiert haben.
Sie wandte sich um und lächelte unverbindlich, während sie an seinem Pullover zupfte. „Wie sieht es aus, lässt du dich dazu überreden, mit mir nachher ein Tänzchen zu wagen?“ Sie wiegte sich verführerisch in den Hüften und beobachtete im gleichen Moment, wie Adrian den Kopf in eine andere Richtung drehte. Offenbar wollte er unter keinen Umständen ihrem Blick begegnen oder ihr gar eine Antwort geben.
„Du möchtest also nicht mit mir tanzen?“, schmollte sie und zog eine enttäuschte Schnute.
„Mit … ich tanze nicht. Das hat nichts mit dir zu tun, verstehst du? Ich … ich tanze einfach nicht.“
„Wie beruhigend.“ Nach kurzer Atempause fügte sie im Konversationston an: „Mir ist sowieso nicht danach. All diese Kerle hier und niemand, den ich kenne oder der mich vor aufdringlichem Gegrapsche beschützen würde. Wir beide wissen doch, wie das an Bordabenden läuft, und dieses eine Mal sollte mir eigentlich eine Lehre gewesen sein.“
„Ich … d u kennst mich.“
„Verrat ’ mir mal, was ich von dir weiß!“ Sie klang verärgert, als sie spontan damit herausplatzte. „Dass du ein begnadeter Koch bist, keinen Lastern frönst und die Welt für dich aus Schwarz und Weiß besteht. Wirklich toll!“
Aber s ie wusste genauso gut, dass er ausgeglichen, beständig und zuverlässig war. Hilfsbereit und verständnisvoll, sehr belesen und überaus liebenswert. Und nicht zuletzt war ihr in bester Erinnerung geblieben, was er im Bett zu leisten vermochte.
„ Ich kann mich nicht darauf besinnen, dass du jemals etwas anderes getragen hättest als Klamotten in diesen Farben.“
Dafü r konnte er sich, ungeachtet der vielen Jahre, die dazwischen lagen, sehr wohl daran erinnern. Nie würde er diesen Tag vergessen, an dem die Farben der Fröhlichkeit und des Glücks aus seinem Leben verschwunden waren.
„Sorry, manchmal vergesse ich meine guten Manieren und dann sage ich das, was ich gerade denke. Ich werde mich zurückhalten, okay? Also“, sie setzte ein falsches Lächeln auf, „hat dir schon jemand gesagt, wie gut du in dieser Hose aussiehst? Mit diesem Pullover?“ Sie rutschte ein Stück dichter an ihn heran und legte ihre Hand auf seinen Arm. „Richtig … sexy“, hauchte sie.
„ Du hast mich schon immer gern verspottet.“
„ Das habe ich sogar mal im Ernst gemeint, weil ich mich frage, für wen du dich so schick gemacht hast, da bei eurer heutigen Bordparty doch gar keine Frauen erwartet wurden. In dieser Hinsicht ist der Alte ziemlich rigoros. Oder habe ich ihn falsch verstanden?“
„Nein. Bei Clausing an Bord fahren keine Frauen. Bis heute hat er es zumindest so gehandhabt. Und andere Frauen … ich …“
Er lachte nervös und fuhr sich über die brennenden Augen, wobei er seinen Arm beiläufig Suses Berührung entzog. Er trat einen Schritt zur Seite. Die Erregung, die ihn seit dem Augenblick ihres Wiedersehens erfasst hatte, steigerte sich allmählich ins Unerträgliche, dennoch wagte er nicht, Suse in die Arme zu nehmen und dort weiterzumachen, wo sie aufgehört hatten. Ein ganzes Jahr lag zwischen ihnen. Es trennte sie mehr, als er ohnehin befürchtet hatte.
Suse schien die schwelende Glut seines Verlangens nicht zu bemerken, sondern schob sich wieder näher zu ihm. „Im Übrigen habe ich etwas über Menschen gelernt, die bestimmte Farben bevorzugen. Meine … also … na, ist ja egal. Es
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