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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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wenigstens dem stummen Zuhörer Tagebuch anvertrauen zu können.
    Seufzend und ganz langsam in Selbstmitleid zerfließend las sie den letzten Satz, den sie zu Papier gebracht hatte. Da blickte ja selbst sie nicht mehr durch! Wie sollte ein Unbeteiligter nachvollziehen, wie es um ihr Seelenleben stand? Kritisch zog sie die fein geschwungenen Augenbrauen in die Höhe. Ach was, Beate und sie hatten sich sogar ohne Worte bestens verstanden.
    Mit einem Mal drängte es sie , die Stewardess in ihr Geheimnis einzuweihen. Nachdem Ronny Skujin unfreiwillig das Feld an ihrer Seite hatte räumen müssen, war Simone neben Adrian und Botho zum wichtigsten Vertrauten an Bord für Suse geworden. Und als Frau hatte Sissi zweifellos ein offenes Ohr für ein typisch weibliches Problem. Möglicherweise hatte sie selbst schon in einer ähnlichen Situation gesteckt?
    Warum sie mit Sissi trotzdem nie über den „Unfall“ geredet hatte, konnte Suse später nicht erklären. Sie wusste bloß, dass ihr dieses Versäumnis schon bald unendlich leidtat.
    Kopfschüttelnd schlug sie ihr Tagebuch zu und öffnete die Backskiste, um das Buch darin zu verstauen. Das erste Mal, wie ihr im Nachhinein bewusst wurde, hatte sie nicht den Deckel leicht angehoben und sofort mit aller Wucht wieder fallenlassen, womit sie eventuell an der Innenseite auf ihr Erscheinen wartende Kakerlaken zu vertreiben gedachte. Sollte sie sich allmählich daran gewöhnt haben, ihre Kammer mit anderen Lebewesen zu teilen? Mit einem heiseren „Ja!“ stieß sie in Siegermanier die Faust in die Luft.
    Da sie vermutete, die Maschinenassistenten könnten jede Minute von der Arbeit kommen und ihre Kammer bis zum Abendessen belagern, beeilte sie sich, vorher noch unter die Dusche zu springen. Sie schaffte es gerade mal, ihren Hosenknopf zu öffnen, als Simone aufgeregt in die Kammer stürzte und begeistert und ohne Punkt und Komma von dem peinlichen Missgeschick der Oberstewardess BarBar berichtete. Demnach war Babsi für den Rest dieses Abends gezwungenermaßen mit der Bestandsaufnahme des Schadens in der Getränkelast und dem Trocknen ihrer Tränen beschäftigt und sie, Simone, somit wieder alleine in der Pantry.
    Ohne Zögern erklärte sich Suse bereit, der Kammernachbarin beim Eindecken in der Messe und bei den Vorbereitungen für das Abendessen unter die Arme zu greifen. Zum einen genoss sie die Gesellschaft von Simone, mit der es immer etwas zu lachen gab, andererseits konnte sie sich bei dieser Gelegenheit in der Nähe der Kombüse und damit bei Adrian aufhalten, ohne dass jemand auf dumme Gedanken kam. Sie wollte in ihrer unendlichen Güte ja nur der schwer schuftenden Stewardess helfen.
    Mit Feuereifer machte sie sich in Pantry und Messe an die Arbeit. Teller und Bestecks, Körbe mit köstlich duftendem Brot und knusprigen Brötchen, Platten mit Fisch, Wurst und Käse auf den langen Tischen verteilen, Servietten falten, Gewürzstreuer nachfüllen, verschiedene Sorten Tee kochen und belegte Brote für die 16-20-Wache vorbereiten. Dank Suses Hilfe war Simone so schnell mit ihrer Arbeit fertig, dass vor der Essensausgabe noch Zeit für ein Schwätzchen mit dem Koch und seinem Bäcker in der Kombüse blieb. Doch die Stewardess schien zur Verwunderung aller nicht in der Stimmung für die üblichen Späßchen zu sein.
    „Was ist denn mit dir heute los?“ Enko musterte sie besorgt. „Hat dir irgendwas die Petersilie verhagelt?“
    Wortlos winkte Simone ab und schlich zu einem der Kombüsenfenster. Ihr banger Blick wanderte über das bleigraue, schwere Wasser der Nordsee und seufzend schüttelte sie den Kopf. „Seht euch das bloß mal an. Bei dieser Dünung wird mir bestimmt wieder übel. Hab mich vorhin mit dem Dritten unterhalten und der meinte, seit Hoek van Holland wird es mit dem Seegang immer schlimmer. Und Wetterbesserung ist bis runter zur Biskaya nicht in Sicht, sagt er. Soll heißen: Ich bin verloren.“
    Suse hatte keine Ahnung, w eshalb die Stewardess jammerte. Neugierig trat sie hinter Simone, um über die Schulter ihrer Freundin zu sehen, sodass ihr das Feixen des Bäckers in ihrem Rücken entging. Betrachtete man nämlich die beiden Frauen nebeneinander, erwies sich Suses Ansinnen als absolut lächerlich. Sie hatte nicht die geringste Chance gegen Simone. Nicht einmal, nachdem sich die schmächtige Funkerin auf ihre Zehenspitzen stellte, schaffte sie es, einen Blick aus dem Fenster zu werfen.
    „Wellen? Wo denn? Da is’ nix. Was du nur immer hast! Also, wenn

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