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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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nahm einen letzten Schluck aus seiner Bierflasche. Wenn Storeys Stimme diesen Ton annahm, war ein Gewitter im Anzug. Und da er sich selber als einen auf friedliche Koexistenz bedachten Menschen bezeichnete, ignorierte er das Gelächter der anderen und schwang sich am Handlauf den Niedergang hinab, wo ihn sogleich eine widerliche Wolke einhüllte, die ihm für eine Weile den Atem nahm. Ein Gemisch aus Bier, Cola, Tonic und Was-weiß-ich-noch-alles verpestete die Luft im Zwischendeck an Steuerbord.
    „Was ist denn hier passiert? “, näselte er. „Riecht ja wie in ’ner Kneipe!“
    „Irgendein Idiot hat die Kisten in der Getränkelast nicht wetterfest gestaut. Beim Klabautermann, mindestens zwanzig Träger Hafenbrühe sind hinüber.“
    „Autsch! Das nenne ich Alkoholmissbrauch satt“, kommentierte Botho mit anerkennendem Nicken und begutachtete den wüsten Scherbenhaufen.
    Schäumende Pfützen bedeckten den Boden des fünf mal fünf Meter großen Raumes, in dem sich die Getränkekisten bis unter die Decke in mehr als zwei Meter Höhe stapelten. Der Storekeeper Jochen Koch drückte dem Matrosen einen Besen in die Hand und schnappte sich selber seine Arbeitshandschuhe, um die Kästen wieder aufzustapeln.
    „So was muss man wirklich in die Kategorie ‚äußerst dämlich’ einordnen“, brummelte JoKo in seinen dichten Bart.
    Zwanzig Kästen Bier oder mehr, das war genau die Menge, die nach dem Prinzip der maximalen Schweinerei vor dem nächsten Hafen fehlen würde! Und wer verzichtete auf solch einer langen Reise schon freiwillig auf seine Kiste? Während er die Matrosen beim Reinschiffmachen antrieb, jammerte und barmte er, eine solche Schweinerei würde nicht in seinen Aufgabenbereich fallen, außerdem hätte er längst Feierabend. Mehr als jede Überstunde tat ihm dabei der Anblick der zerschlagenen Bierflaschen weh. Keine Landratte, die an jeder Straßenecke über einen Getränke-Shop, Supermarkt oder eine Kneipe stolperte, würde das nachempfinden können. Er dagegen fuhr lange genug zur See, um zu wissen, dass Durst schlimmer schmerzte als Heimweh – mal abgesehen von diesem ganz besonderen Herzschmerz an Weihnachten. Da war einfach alles Schei…benkleister. Selbst ein halbes Jahr sexuelle Enthaltsamkeit war leichter zu ertragen als Weihnachten auf See.
    JoKos neidvoller Blick wanderte zu dem vor Kraft strotzenden Botho Buske, der sich mit spielerischer Leichtigkeit die Kästen bis unters Kinn stapelte und damit pfeifend durch die Last spazierte. Na schön, zumindest für einen Mann in meinem Alter.
    Unterdessen protokollierte die Oberstewardess BarBar unter bitteren Tränen den entstandenen Schaden, denn sie war der Unglücksrabe, der über allen Liebeskummer die Laschings für Dutzende von Kästen schlichtweg vergessen hatte. Nicht genug damit, dass sich jedermann an Bord über sie lustig machte wegen ihrer dramatischen Beziehung zu dem Dritten Technischen Offizier. Mit der heutigen Aktion hatte sie sich obendrein die lebenslängliche Verachtung der Männer zugezogen, was bei einer mehrere Wochen dauernden Reise schwerer als jeder Hohn und Spott wiegen würde.
     
    Suse hatte von den Aufregungen um die verwüstete Getränkelast nichts mitbekommen, sondern haderte in gerade dieser Sekunde mit ihrem Schicksal. Seit nach dem Verlassen der Straße von Dover die Panzerblenden vor den Bulleyes geschlossen worden waren, herrschte in ihrer Kammer eine erdrückende Düsternis. Nun sogar tagsüber bei künstlichem Licht sitzen zu müssen, übte auf sie, den bekennenden Sonnenanbeter, eine niederschmetternde Wirkung aus.
    Da sie am Abend noch einmal in das Funkschapp wollte, um den nächsten Versuch für die Aufnahme einer vollständigen Schiffspresse zu unternehmen, genoss sie einen langen freien Nachmittag. Erst hatte sie in ihrem Tagebu ch mehrere Seiten vollgeschrieben. Die wirren Gedanken in ihrem Kopf, die sich hauptsächlich um ihre Gefühle zu Adrian Ossmann und seine andauernde Zurückhaltung, aber ebenso um das mal aufdringliche, mal versteckte Werben einiger anderer Männer drehten, suchten sich dabei ein Ventil.
    Zu Hause hätte sie jetzt bei einem starken Kaffee der Marke „Mädchen-Mörder“ ein langes Gespräch mit ihrer Freundin Beate Schenke geführt. Gemeinsam war es so viel einfacher, ihre wuselig verwickelten Probleme und Gefühle zu ordnen. Hier dagegen? Sie war froh, die Sorgen um ihre ungewisse Zukunft mit oder ohne Vater für ihr Kind beziehungsweise mit oder ohne Mann und ohne Kind

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