Frau an Bord (Das Kleeblatt)
die „Fritz Stoltz“ hart in der See des Englischen Kanals. In der frischen Brise erreichte der voll beladene Massengutfrachter bald Krängungen bis zu zwanzig Grad nach Back- und Steuerbord, woraufhin der Kapitän die Brückenwachen alle zwei Stunden auf einen Kontrollgang durch das gesamte Schiff schickte.
Und das gab der Funkerin dann doch zu denken.
Friskos donnernder Bass, in dem er seine Männer anwies, besonderes Augenmerk auf geschlossene Schotten zu legen, hallte über die oberen Decks. Mittlerweile durfte niemand mehr ohne triftigen Grund das Freideck betreten. Und immer wieder schickte Frisko den Bootsmann in die Spur, um die Stabilität der Halterungen für die Rettungsboote, den Verschlusszustand der Luken und die Laschings in den Lasten zu prüfen.
Zu diesem Zeitpunkt verstand Suse den Aufwand nicht, der zwar routinemäßig, indes mit nicht nachlassender Sorgfalt betrieben wurde , allerdings hatte sie inzwischen gelernt, sich mit irgendwelchen Äußerungen zurückzuhalten. Sie war ja nichts als eine ahnungslose Landratte, motzte sie in Gedanken. Lieber wollte sie sich die Zunge abbeißen und vor Neugier platzen, als sich vor den Offizieren bloßstellen. Stattdessen beschloss sie, ihre Fragen für den Abend aufzuheben und mit Botho, der als Wachmatrose mit den Sicherungsarbeiten an Deck beschäftigt war, darüber zu reden. Er würde ihr erklären können, warum diese Maßnahmen notwendig waren, und dabei ihre Bedenken zerstreuen.
Oder eben nicht.
Derweil hockten w ie jeden Nachmittag nach getaner Arbeit auch nach dem Verlassen des Englischen Kanals die Matrosen und Maschinenassistenten ölverschmiert in der Monkey-Messe und genehmigten sich die obligatorische Feierabendkiste, die wie immer in trauter Einigkeit geleert wurde – ein unerklärliches Phänomen, denn bei diesem Ritual existierten plötzlich keinerlei Unterschiede mehr zwischen Decks-Gang und Kesselbande.
Und als hätte er einen besonderen Riecher für Alkohol, erschien ebenso auf die Minute pünktlich der E-Mix. Da Elektriker traditionsgemäß für das Kino an Bord und die Auswahl der Filme zuständig waren, gab es keine Frage, den Mixer in ihrer Mitte zu dulden.
„Lady Shatterley“ wäre heute Abend gerade das Richtige. Wie wär ’s, Mixer, noch ein Bier? Oder hast du nicht doch einen richtigen, so richtig echten Porno in deinem Archiv? Wir könnten eine geschlossene Gesellschaft beantragen. Ein Rohr Whiskey dafür? Guck noch mal genau in deinem Schapp nach. Und wolltest du neulich nicht eine von meinen Cohibas schnorren? Kein Problem. Meine Großzügigkeit kennt keine Grenzen. Bei entsprechender Gegenleistung.
Sie waren sich beinahe schon handelseinig (und einige der Männer sichtlich erregt), als ein gewaltiger Knall und klirrendes Poltern von irgendwoher unter Deck die aufgeregte Diskussion unterbrach. Die erhitzten, von Eifer und Alkohol geröteten Köpfe der Männer fuhren auseinander. Botho Buske fiel vor Schreck das Feuerzeug aus der Hand, mit dem er sich just in diesem Moment die nächste Zigarette anzünden wollte. Nein, seine Schicht war definitiv zu Ende! Er schaute den rothaarigen Elektriker an, der ihm gegenüber hockte, und machte eine auffordernde Kopfbewegung.
„Los, Glühbert , das hörte sich nach einer geplatzten Birne an.“
Der E-Mix hob die rechte Hand und zeigte Botho den gestreckten Mittelfinger, während er mit dem linken Ellenbogen Locke in die Seite knuffte: „Sieh mal nach, wer da aus seiner Koje gefallen ist.“
„Das kam eindeutig von unten. Ölfuß Marsch!“
Noch bevor sich die jungen Männer unter Zuhilfenahme schlagender Argumen te einigen konnten, wer der Ursache des Lärms auf den Grund gehen sollte, tönte ohrenbetäubendes Fluchen bis in die Monkey-Messe. Neugierig geworden schossen die Seemänner in die Höhe. Einer nach dem anderen drängte auf den Gang hinaus, wo sie über Enko Teske fielen, dessen Nachmittagsschicht gerade begonnen hatte.
„Schert euch mit Pütz und Feudel in die Getränkelast , aber dalli!“, dröhnte die Stimme des Storekeepers zu den Männern herauf.
„Na, denn man Prost, Kinnings! Kann euch leider nicht helfen“, frohlockte der Bäcker, der mit hämischem Grinsen in der Kombüse verschwand , wo ihn der Koch empfing. Der musste nicht einen Ton von sich geben, denn ein einziger Blick aus seinen braunen Augen reichte, dass Enko flugs den Kopf einzog und sich intensiv mit dem Walken des Brotteiges beschäftigte.
Erge ben drückte Botho die Kippe aus und
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