Frau an Bord (Das Kleeblatt)
oder lang würde er sie in den Wahnsinn treiben mit seiner Ernsthaftigkeit, seinem Ehrgefühl und Pflichtbewusstsein. Im ersten Moment hatte sie nicht einmal gewusst, ob sie vor Verblüffung lachen oder ihn lieber erwürgen sollte. Eine geschlagene Minute lang hatte sie Adrian angestarrt, während sie mit offenem Mund seinen nicht enden wollenden Erklärungen gefolgt war. Sie konnte es einfach nicht fassen. Hatte er etwa gar nicht bemerkt, dass es ihr um Spaß und Lust ging? Er dagegen machte eine Staatsaffäre aus dieser Angelegenheit.
Etw a ab der Hälfte seiner Rede hatte sie sich nicht mehr auf seine Worte konzentrieren können. Sie beobachtete seinen Mund und hörte seine Stimme, dabei dachte sie allerdings an weiche Lippen und geflüsterte Schmeicheleien, die ihr Blut zum Kochen brachten.
„Was meinst du dazu?“
Sie schwieg, um sich nicht zu verraten.
„Warten wir lieber noch, Susanni“, hatte Adrian sie dann mehr gebeten, als dass es ein bloßer Vorschlag gewesen wäre. Und seine Stimme hatte dabei um ein Haar die Begeisterung eines zum Tode Verurteilten verraten. Doch ein kurzer Blick an seinem Körper hinab hatte genügt, um sie vom Gegenteil zu überzeugen. Er begehrte sie und zwar in genau dieser Sekunde!
Wie es nun einmal ihre r Art entsprach, hatte sie seinen berechtigten Einwand kurzerhand mit einer resoluten Geste weggewischt. Nein! Sie wollte nicht über die Folgen nachdenken und vernünftig sein. Sie wollte nicht warten, sondern diesen Mann jetzt und sofort … und zwar bis auf die nackte Haut ausziehen und in ihr Bett zerren. Und sie hatte keineswegs vor, sich ihren Heißhunger auf den betörend sinnlichen Koch von der Suche nach Kondomen verderben zu lassen.
Adrian hatte nichts auf ihr Drängen erwidert. Einen Herzschlag lang. Einen zweiten. Und noch einen. Sie hatte den Atem angehalten, aber als sie den Kopf hob, konnte sie in seinem schönen, viel zu ernsten Gesicht jeden einzelnen seiner Gedanken lesen. Er hatte ein wahrhaft ausdrucksvolles Gesicht, über dem stets ein Hauch von Traurigkeit zu liegen schien. Seinen stumm geäußerten Bedenken zum Trotz fuhr sie unbeirrt fort, ihm langsam den weichen Wollpullover nach oben zu schieben und von seinem vollendeten Körper zu streifen.
Sie hatten sich diesem Spiel hingegeben, einem freilich gewagten Spiel. Und wie sich jetzt herausstellte, hatte sie es auf ganzer Linie ver loren. Zum Wehklagen war es nun zu spät. Nein, natürlich hatte sie das auch gar nicht vor. Dafür war die erste Nacht mit diesem Mann viel zu aufregend gewesen, genauso die zweite und all die anderen Nächte, die gefolgt waren und ganz sicher folgen würden.
Adrian, sag mir, wie es weitergehen wird. Mit uns. Was sollen wir tun, wenn ich ein Kind bekomme? Ich habe keine Ahnung, ob ich für eine längerfristige Beziehung geeignet bin. Oder wie es bei dir damit aussieht. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich den Mut hätte, ein Leben mit dir überhaupt nur in Betracht zu ziehen. Ich weiß es nicht. Und ich weiß nichts von dir.
Nachdem sie die Schiffspresse frisch gebügelt auf dem Sideboard in der bereits verdunkelten Messe ausgebreitet hatte, verschloss Suse ihre Kammer von innen. Den Applaus und die Dankesbezeugungen für ihre Arbeit würde sie genauso gut am nächsten Tag entgegennehmen können. Heute wollte sie bloß noch in aller Ruhe mit sich ins Gericht gehen und ihren hausgemachten Problemen zuleibe rücken.
Dann allerdings hockte sie wie ein Häufchen Unglück auf dem Rand ihrer Koje und drehte unschlüssig die kleine Schachtel mit dem Schwangerschaftstest zwischen den Fingern. Sie wusste, es würde an ihrem Zustand nichts ändern, wenn sie den Test endlos hinausschob.
Also morgen. Versprochen. Eine letzte ruhige Nacht wollte sie sich gönnen, eine Nacht noch, in der sie sich der Illusion von einer heilen Welt hingeben konnte. Seifenblasen zerplatzten doch meist erst am Morgen. Und bis dahin wollte sie die Zeit für ihre Träume nutzen.
1 1. Kapitel
Selbst Suse als unerschütterlicher Optimist konnte es jetzt nicht länger leugnen: Im Gegensatz zu den Fahrten ins Baltikum würde sie auf dieser Reise von den Herbststürmen nicht verschont bleiben. Wenngleich es ihr widerstrebte, musste sie dem Alten einen Punkt zugestehen. Er hatte ihr zu Recht einen Dämpfer verpasst, als sie sich leichtsinnigerweise heimisch an Bord zu fühlen begann, noch bevor die erste Reise zu Ende gegangen war.
Z wei Tage nach Auslaufen aus dem Waalhaven zu Rotterdam arbeitete
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