Frau an Bord (Das Kleeblatt)
nein!“ Sie rieb sich über die Augen. Das konnte nicht wahr sein!
Denn da lag sie in all ihrer Pracht. Genau vor ihrer Nase! Die „Heinrich“.
Und sie hatte sie einfach übersehen. Gott, so etwas musste man übersehen! Denn das war kein Schiff! Das war … ein Witz ! Eine Beleidigung. Eine Nussschale, mehr jedoch auf keinen Fall!
Sag, dass ich träume! Das kann es unmöglich gewesen sein. Die wollen dich zum Narren halten!
Wie aufgezogen drehte sie sich um ihre eigene Achse. Nein, selbstverständlich hatte sie den Flottenbereichsleiter nicht gefragt, auf welchen Typ von Schiff sie aufsteigen würde. Hätte sie Harry Pohl damit nicht bloß einen Grund mehr geliefert, sich über sie zu amüsieren? Die alten Fahrensleute wussten natürlich, wenn sie den Namen eines Frachters hörten, um welchen Schiffstyp es sich handelte. Bei einer Frau dagegen dauerte es halt etwas länger, bis sie kapierte. Na klar, Frauen! Um sich diesen Kommentar nicht anhören zu müssen, hatte sie also nichts erwidert und stattdessen auf den Überraschungseffekt gebaut.
Diese Überraschung war ihr – Herzlichen Glückwunsch auch! – zweifelsfrei gelungen.
Da stand sie nun vor einem Bananenjäger. Frostdampfer. Kühlschiff. Klein, aber fein, hatte sie beim Studium gelernt, zur Reflexion des Sonnenlichts stets in jungfräuliches Weiß gekleidet, betrug die Tragfähigkeit dieser Spezialschiffe maximal zehntausend Bruttoregistertonnen, mit denen sie Geschwindigkeiten bis zu fünfundzwanzig Knoten erreichten. Dieser Kahn vor ihr zählte offensichtlich zu den ausgesprochenen Zwergen unter den Kühlschiffen. Höchstens fünftausend BRT.
Susann e stellte sich auf die Zehenspitzen und reckte den Kopf ein Stück höher. Nein, korrigierte sie sich deprimiert, wahrscheinlich brachte es dieser Winzling nicht mal auf schlappe viertausend Tonnen.
Mit hängenden Schultern balancierte sie das Fallreep nach oben und blickte sich suchend auf dem Freideck um, bis hinter ihr jemand anerkennend durch die Zähne pfiff. Wie aus der Erde gestampft stand ein junger Bursche vor ihr, mit verschränkten Armen lässig an einen Stahlträger gelehnt, und grinste ölig. Sein Blick heftete sich mit unverhohlenem Interesse auf ihren Busen.
Aber davon ließ sich eine Susanne Reichelt längst nicht mehr aus der Ruhe bringen. Ihre Schmolllippen öffneten sich zu einem spöttischen Lächeln, als wüsste sie ganz genau, was der Blonde gerade dachte. Was keine große Kunst war, denn er war nicht der erste Mann, der sie auf diese Weise anglotzte.
„Hi !“
Si e hörte, wie er hastig die zusammengelaufene Spucke hinab schluckte, bevor er weiter sprechen konnte: „Herzlich willkommen auf dem alten ‚Heinrich’. Ich bin Lehmi. Lehmi, der einzig Wahre und Wahrhaftige, der Unwiderstehliche. Sollte man sich merken. Und dass ich am liebsten Erdbeertorte esse. Morgen ist Donnerstag. Wie wäre es mit einer kleinen Überraschung für mich, als Einstand gewissermaßen? Ehre, wem Ehre gebührt.“
Sus anne hatte ihre Uniformjacke lässig über der Schulter hängen, deshalb bemerkte der strohblonde Matrose seinen fatalen Irrtum erst, nachdem sie beiläufig den Ärmel mit dem lilafarbenen Rhombus des Funkoffiziers zurechtzupfte.
„O-oh. Bitte vielmals um Vergebung, Officer. Dachte, Sie wären die Bäckerin, die uns Harry für diese Fahrt versprochen hat. Ja mei, irren ist menschlich, sprach der Igel …“
„Und stieg von der Kleiderbürste“, gähnte Sus anne unbeeindruckt, wobei sie in einer langen Bewegung ihre Hand vom Kinn nach unten zog. „Junge, der hat doch so ’n Bart.“
„ Äh“, war alles, was dem Matrosen dazu einfiel.
„Gut, nachdem wir uns jetzt vorgestellt haben, können Sie mir sagen, ob der Kapitän an Bord ist und wenn ja, wo ich ihn finde?“
„Wäre ja noch schöner, wenn ich das nicht könnte.“ Der Matrose verzog geringschätzig den Mund – und schwieg.
Die Funkerin stöhnte innerlich auf , während sie sich redlich mühte, nicht die Augen zu verdrehen. Dieser Punkt ging dummerweise an diesen Burschen. Auf keinen Fall konnte sie sich nun die Blöße geben und ihn um eine detaillierte Wegbeschreibung bitten. Wortlos ließ sie den Strohblonden stehen und quälte sich mit ihrer Reisetasche durch das nächstbeste Schott ins Innere des Schiffes.
Während sie schweißgebadet die Niedergänge nach oben stapfte, beschäftigte Lehmi dieses kurze Intermezzo noch geraume Zeit.
„Weiber“, knurrte er beleidigt. „Pfff! Da kommt schon mal eine auf
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