Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
Vom Netzwerk:
Bedürfnis, laut loszubrüllen. Irgendwie erinnerte sie diese unterkühlte Atmosphäre an ihre ersten Stunden an Bord der „Fritz Stoltz“.
    V ielleicht handelt es sich um eine Art Initiationsritus für Neuaufsteiger, versuchte sie sich zu trösten. Möglicherweise hatte die unfreundliche Begrüßung nichts zu bedeuten oder gar mit ihrer Person zu tun, denn letztlich hatte sich der Großteil der Besatzung der „Fritz Stoltz“ als äußerst angenehm, zuvorkommend und liebenswert entpuppt. Brauchte eben alles seine Zeit.
    Und sie wollte nie vergessen, dass es so viel Schlimmeres auf dieser Welt gab.
     
    Zaghaft klopfte sie an das Sch ott. Während sie auf eine Antwort wartete, wischte sie sich eine lange Strähne aus der feuchten Stirn und atmete tief durch. Angewidert betrachtete sie ihre schweißnasse, vom Apatitstaub klebrige Hand, als wäre sie ein unerwünschter Fremdkörper.
    W o hatte sie bloß wieder ihr Taschentuch vergraben? Noch ehe sie eine Suchaktion startete, wusste sie um die Sinnlosigkeit, auf die Schnelle etwas in ihren Taschen finden zu wollen. Sie hatte noch nie etwas im entscheidenden Moment gefunden! Und Taschentücher hatten in ihrer Nähe grundsätzlich die dumme Angewohnheit, sich in Luft aufzulösen.
    Meine Güte, so kann ich dem Alten wohl kaum unter die Augen treten! jammerte sie lautlos vor sich hin. Das macht ja gleich einen tollen Eindruck!
    Das polternde „Herein!“ einer tiefen Stimme ließ sie erstarren und sie spürte, wie sich der glitschige Knoten in ihrem Magen in Erwartung eines Armageddon enger zuzog.
    „Einen wunderschönen guten Tag“, wünschte s ie mit ihrem süßesten Sonntagslächeln auf den Lippen, bevor sie überhaupt die Tür weit genug geöffnet hatte, um hindurch schlüpfen zu können.
    Wie vom Donner gerührt, k am sie jäh zum Stehen und blinzelte irritiert durch den lichtdurchfluteten Raum. Der Kapitän – zumindest nahm sie an, dass es sich um diesen handelte, denn immerhin war dies seine Kammer – saß mit dem Rücken zum Fenster, durch welches die grelle Sonne schien. Obwohl das schamlos untertrieben war, da Seine Majestät im Licht thronte! So sehr sie sich auch mühte, erkannte Susanne nicht mehr als die Umrisse eines wahren Monsters hinter einem ebenso mächtigen Schreibtisch.
    „Schott zu! Es zieht!“ , bellte es heiser.
    Zu ihrem großen Ärger erreichte der Alte, was er mit seinem grimmigen Empfang vermutlich beabsichtigt hatte: Seine Besucherin zuckte heftig zusammen. Willkommen in den Abgründen der menschlichen Zivilisation!
    Zögerlich schob sie sich drei Schritte vorwärts. Zuerst bemerkte sie ein Paar blitzblank geputzter Schuhe – wahren Kindersärgen! –, gefolgt vom eins neunzig langen Rest, der aus gestählten Muskeln bestand. Bis sein Gesicht aus dem Schatten tauchte und Susanne entgeistert die Luft anhielt. Was war denn das? Ihre Augen weiteten sich, bis sie ihr beinahe aus den Höhlen fielen.
    Das sollte der Kapitän sein?
    Mit ihrem Bruder Jasdan und einigen früheren Freunden hätte sie eigentlich an den Anblick traumhaft aussehender Männer gewöhnt sein sollen. Lediglich Adrian hatte all diese Schönlinge noch toppen können. Wenn also heutzutage auf der Straße ein attraktiver Mann an ihr vorüberging, würdigte sie ihn kaum eines Blickes.
    Wäre ihr allerdings dieser hier begegnet, wäre sie garantiert gegen den nächsten Lichtmast gerannt. Seine Augen hatten die wundervollste Färbung, ein geradezu überirdisches Blau, die sie sich vorstellen konnte.
    Dann jedoch bemerkte sie, wie er sie mit finsterer Miene taxierte, und ihr wurde klar, dass dies gleichzeitig die gefühllosesten Augen der Welt sein mussten. Eine eiskalte Hand strich über ihr Rückgrat und ihre Nackenhaare sträubten sich. Plötzlich war sie sich nicht mehr sicher, dass ihre Begrüßung überzeugend geklungen hatte.
    Sie beugte sich nach vorne, damit sie dem für ihre Begriffe viel zu jungen Kapitän ihre Rechte in Reichweite entgegenstrecken konnte. Der wiederum starrte sie an, als hätte er nie zuvor eine Hand mit fünf Fingern daran gesehen. Ungeduldig winkte er mit dem Zeigefinger und deutete dabei auf den Heuerschein, den sie gerade in ihrer Faust knüllte. Ein zynisches Grinsen zog seinen rechten Mundwinkel nach unten, während er leise durch die Zähne pfiff.
    „Ich werde Ihnen nicht einmal dann zu nahe kommen“, bemerkte er mit selbstgefälliger Stimme, die ihre Antenne beben ließ, „oder Sie gar auffressen, wenn Sie sich auf meinen Schoß

Weitere Kostenlose Bücher