Frau an Bord (Das Kleeblatt)
diesen Dampfer und dann versteht die nicht mal Spaß! Die passt hierher wie der Arsch auf den Eimer. Bloß keinen persönlichen Kontakt zum gemeinen Fußvolk zulassen. Man weiß ja, wo man hingehört.“
Lehmi brummelte missmutig vor sich hin, bis sich ein schwarz gelockter Kopf aus dem Bulleye der Messe schob. Mit seinen fünfunddreißig Dienstjahren, von denen er die letzten zehn fast ausschließlich auf diesem Schiff verbracht hatte, gehörte der Bootsmann Kurt Quast längst zum Inventar der „Heinrich“. Keiner kannte wie er jeden noch so kleinen Winkel des Schiffes. Das machte ihn zwar unentbehrlich für das reibungslose Funktionieren des Schiffsbetriebsdienstes, Kuddel indes wusste genauso gut, dass er aufgrund seines Alters auf einem neuen Kahn bar jeglicher Chance wäre. Deshalb war es nur allzu verständlich, wenn er in sein allabendliches Dankgebet die Bitte nach einem langen Leben seines „Heinrich“ mit einschloss.
Mit gemischten Gefühlen hatte Kuddel vor wenigen Augenblicken das Gespräch der beiden jungen Leute mit gehört. Einerseits amüsierte ihn, wie das Mädchen dem großkotzigen Vollmatrosen einen Dämpfer verpasst hatte, andererseits vermutete er, dass sich genau dasselbe Schauspiel bereits in diesen Sekunden zwei Decks höher wiederholte, dort allerdings nach einem Rollentausch. Er wiegte den runden Kopf nachdenklich hin und her und überlegte, was zu tun war.
„Ehre, wem Ehre gebührt, was, Lehmi? D er ging ja wohl voll nach hinten los.“ Der Bootsmann sprach langsam, mit tiefem Ernst, doch das Funkeln in seinen Augen verriet seine Belustigung.
„ Klappt halt nicht immer. Was meinst du, ist das nicht eine rattenscharfe Braut?“
„ So scharf, dass du dich daran geschnitten hast, ganz Recht. Ich denke mal, bei der hast du es bis in alle Ewigkeiten verschissen.“
„Bis zum ersten Bordabend, Kuddel, und keine Sekunde länger.“
Das Grinsen verschwand vom Gesicht des Bootsmannes und machte Skepsis Platz. „Da wäre ich mir nicht so sicher. Ich befürchte nämlich, die Kleine wird erst gar keinen Bordabend auf diesem Kahn erleben. Keine Weiber an Bord, ist das Motto auf der ‚Heinrich’, seit er Kapitän hier ist. Fast vier Jahre lang haben sie sich daran gehalten und ich frage mich, wer dem Alten ausgerechnet jetzt den Fehdehandschuh hinwerfen muss. Du hast ihn vermutlich noch nicht erlebt, wenn er zur Hochform aufläuft, weil ihm jemand einen Strich durch die Rechnung machen will.“
„Har-har! Und was war mit der Zigarre, die er mir gestern in der Messe verpasst hat? Wegen nix!“ Lehmis Ohren fingen bei der Erinnerung erneut zu glühen an. „Netterweise hat er sogar gewartet, bis die gesamte Mannschaft versammelt war, ehe er mit mir Schlitten gefahren ist.“
„Da sieht man’s wieder, Kindskopf, hast eben keine Ahnung. Darüber hat eine Stunde später schon keiner mehr geredet. Mit diesen beiden dagegen … das wird nicht funktionieren. Die Lütte braucht einen Waffenschein für ihre Zunge. Ich will verdammt sein, wenn sie nicht genau weiß, was sie will. Und gleich zwei von dieser Sorte unter einem Dach … Ich schau besser mal nach, ob ich Erste Hilfe leisten muss. Der Alte hatte vorhin ausgesprochen schlechte Laune.“ Kuddel stieß die Luft hörbar aus und kratzte sich den Schädel. „Wieder einmal. Morgen sollen wir auslaufen und weder Koch, Bäcker oder Funker sind bisher aufgestiegen. Und nun auch noch eine Frau an Bord! Das ist genau das Richtige, damit diese Katastrophe nukleare Dimensionen annimmt.“
20 . Kapitel
Tatsächlich hatte Susanne irgendwann – sie hatte sich dabei höchstens dreimal verlaufen – die Brücke gefunden und dankte für den Umstand, dass das Kühlschiff dermaßen klein und somit übersichtlicher war, als sie es von der „Fritz Stoltz“ in Erinnerung hatte. Man musste eine unangenehme Sache nur lange genug drehen und wenden, dann fand sich trotz aller Ärgernisse immer etwas, dem man eine positive Seite abgewinnen konnte. Jawohl! Sie nickte, zufrieden mit dieser weisen Feststellung, und kam sich unheimlich überlegen vor.
Auf dem Brückendeck suchte sie dann allerdings vergeblich nach dem Alten. Verärgert schulterte sie ihre Tasche und schleppte sich wieder ein Deck tiefer. Die schadenfrohen Blicke und das anschwellende Gelächter des wachhabenden Nautischen Offiziers und der beiden Matrosen verfolgten sie, auch als sie längst schon die Tür hinter sich zugeworfen hatte. In dieser Sekunde überkam Susanne das dringende
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