Frau Bengtsson geht zum Teufel
achtunddreißig Sekunden lang tot gewesen. Eine Sekunde für jedes Jahr ihres Lebens.
5
H errgott!, dachte Frau Bengtsson.
Ja, bitte schön, dachte Gott und ließ sie allein. Schlug ein neues Buch auf.
Mit zitternden Gliedern drehte sie sich auf den Bauch und erhob sich langsam auf die Knie. Es sah aus, als würde sie beten, aber Frau Bengtsson empfand keine religiöse Dankbarkeit. Wenn sie »Herrgott« dachte, war dies keine Anrede, sondern nur eine Floskel, ein Kraftausdruck, der seine eigentliche Bedeutung verloren hatte.
Ich bin ertrunken!
Diese Feststellung dagegen hatte umso mehr Bedeutung für die zitternde Frau, die in der Wanne kniete. Dies waren keine leeren Worte, sondern die nackte, entsetzliche Wahrheit.
Sobald sie das Bewusstsein wiedererlangt hatte, war Frau Bengtsson klar, dass sie wahrhaftig gestorben war. Sie fuhr sich durch die Haare und massierte die Kopfhaut, aber es tat nicht einmal weh. Sie sah ihre Hände an und erwartete, dass sie blutverschmiert waren, aber sie waren rein und dufteten nach Balsam. Auch an dem schicksalsschweren Ventil war nicht eine Spur von Blut.
Mit gerunzelter Stirn begann sie, ihr Haar auszuspülen.
Wie war ihr geschehen?
Sie meinte nicht den Tod. Wie dieser gekommen war, würde sie wohl nie vergessen. Aber wie war ihr im
Leben
geschehen? In jenem Leben, dass sie nun offenbar behalten durfte? Sie spülte und spülte und grübelte und grübelte, bis das Wasser kalt wurde und sie fast dreihundert Liter Warmwasser fortgegrübelt hatte.
Dann sah sie die Überreste des ägyptischen Badesalzes und den abgerissenen Duschvorhang, und sofort übernahm der Hausfrauenautopilot ihre Gedanken.
Frau Bengtsson verließ das Bad; sie verließ ihren Tod, um aufzuräumen.
Als ihr Mann an diesem Abend nach Hause kam, erklärte er seiner lieben Frau, warum sie sich irren musste, denn sie war ja ganz offensichtlich nicht gestorben. Er nahm sie in die Arme und tröstete sie. Welch unheimliches Erlebnis. Aber gestorben? Nein, unmöglich. Sie lebte doch.
Vielleicht war sie kurz ohnmächtig gewesen. Allerhöchstens. Natürlich, das war fürchterlich. Er versuchte, sie zu beruhigen, versprach, das kostbare Badesalz über das Internet zu besorgen. Er streichelte und liebkoste sie und war selbstverständlich froh, dass er recht hatte.
Um auf Nummer sicher zu gehen, setzte er die Massagefunktion noch am selben Abend außer Kraft, während seine Frau ein einfaches Abendessen zubereitete, schockiert, wie sie war.
Luxus oder nicht, verrückte Frau oder nicht, auf jeden Fall bestand das Risiko, dass man sich in diesem Ansaugventil verhedderte, und das konnte er nicht hinnehmen. Er kümmerte sich um seine geliebte Frau und wusste sich zu helfen. Er rückte die Wanne von der Wand, schraubte die Kupplungsdose auf und zog den Stecker heraus. Frau Bengtsson steckte den Kopf zur Tür hinein, sah, was er tat, und war zu Tränen gerührt.
Trotz allem,
dachte sie.
Es dauerte nur wenige Minuten, bis Herr Bengtsson die Wanne wieder an die Wand schob und zufrieden konstatierte, dass er seine Rolle als Beschützer erfüllt hatte.
Er hatte seine geliebte kleine Frau nicht verloren und würde dies auch nicht tun, jedenfalls nicht wegen einer lausigen, fehlkonstruierten Massagewanne aus China.
Die achtunddreißig Sekunden existierten für ihn nicht, es war völlig unmöglich. Er ignorierte sie, nahm ihnen den Schrecken und ließ seine Frau mit ihrer Erfahrung allein.
Der Tod begann sie zu scheiden, gewissermaßen.
Am Mittwoch fiel Frau Bengtsson auf, dass sie keine einzige Träne über ihren eigenen Tod vergossen hatte, und sie fragte sich, ob sie vielleicht gefühllos sei. Nachdem sie die Post gelesen hatte, blieb sie am Küchentisch sitzen in der Absicht, dies nachzuholen. Mit aller Kraft versuchte sie, die Tränen zu verdrücken, die sie menschlicher machen sollten.
Ohne Erfolg.
Ich stehe bestimmt noch unter Schock, beschloss sie nach zwanzig Minuten, als sie bemerkte, dass ihre Gedanken abschweiften, zu so banalen Dingen wie dem Rasen des Nachbarn von schräg gegenüber. Dort wohnte ein älterer Herr namens Rubin, aber Alter hin, Alter her, konnte er nicht wenigstens einmal im Monat seinen Vorgarten mähen oder für ein paar Kronen die Nachbarskinder dazu anheuern? Das war man seinen Nachbarn doch schuldig!
Sie sah, wie der Löwenzahn von gegenüber zum Angriff blies. Ein Teil der Blüten war schon weiß und flauschig, bald würden sie ihre Abkömmlinge mit dem Wind auf ihre wohlgehütete
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