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Frau des Windes - Roman

Frau des Windes - Roman

Titel: Frau des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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zart zu Boden drückt, bis sie schließlich ihre Wange ans Kissen schmiegen kann. So sanft und fügsam ist diese Erde! Auch die Bäume neigen sich im Wind und schaukeln auf den Hügeln mit ihren Zweigen.
    Zur Teestunde kehren sie zurück, mit geröteten, strahlenden Gesichtern, das Haar voller winziger Wassertropfen, und Leonora fühlt sich durchdrungen von der geballten Kraft der Pferde. »Du siehst wirklich wie eine Stute aus«, sagt ihre Großmutter. Bisweilen fragt sie sie sogar, ob sie statt Schuhen Hufe an den Füßen trage, weil ihre Schritte so laut seien. »Wie viele Fohlen hast du in jedem Bein?« Der herrlichste Spaziergang ist der ums Belvedere mit seinem Park und seinen Gärten, die sich wie königliche Teppiche bis zum See erstrecken. Als Erste hebt die Großmutter den Kopf:
    »Was werdet ihr uns heute Abend erzählen?«
    Liebesgeschichten gefallen Leonara besonders. Etwa die von den drei goldenen Äpfeln, deren himmlische Musik im Wind erklingt, oder die von Caer, dem jungen Mädchen, das mit ansah, wie sich Aengus Mac Óg am Seeufer in einen Schwan verwandelte.
    Die Großmutter erzählt ihr auch, dass Noah die Hyäne nicht an Bord seiner Arche gelassen hat, weil sie Kadaver fraß und mit ihrem Geheul das Lachen der Menschen nachahmte. Doch nach der Sintflut paarten sich Wolf und Panther, und die Hyäne wurde wiedergeboren. In manchen mittelalterlichen Erzählungen heißt es, sie trage einen Stein in jedem Auge und wer sie töte, ihr die Steine entnehme und sie sich unter die Zunge lege, könne die Zukunft vorhersagen. Die Hyäne geht Leonora nicht aus dem Sinn.
    »Du bist eine Keltin, ein Hitzkopf und ein Dickschädel wie ich«, sagt Großmutter Mary Monica Moorhead.
    Patrick lädt zwei Freunde ein, die genauso wild sind wie er, die Söhne von Pfarrer Prince. Sie binden Leonora an einen Baum, benutzen sie als Zielscheibe und beschießen sie mit Pfeilen wie den heiligen Sebastian.
    Ihr Vater geht mit anderen Herren in den Club, wo geraucht wird und man beratschlagt, wer wohl als neues Mitglied akzeptabel wäre, und dort trinkt er den einzigen Whisky des Tages, bevor er zum Abendessen nach Hause kommt. Ihre Mutter empfängt Besuch und wird eingeladen. Eilig bricht sie auf mit den Worten: »Benehmt euch anständig. Falls ich früh nach Hause komme, sage ich euch noch Gute Nacht.«
    Das Mädchen betritt die väterliche Bibliothek, ohne anzuklopfen. Niemand wagt es, die Tür dieses Raumes mit seinen schmalen, bis zur Decke reichenden Fenstern, seinen Ebenholzmöbeln und Perserteppichen, die das Geräusch der Schritte dämpfen, zu öffnen.
    »Alle hassen mich, weil ich ein Mädchen bin. Während meine Brüder spielen, sitze ich im Unterricht.«
    »Du sollst ja auch keine Männerspiele spielen«, antwortet Harold Carrington.
    »Meine Brüder und ihre schrecklichen Freunde sagen, Mädchen könnten nicht das Gleiche machen wie sie, aber das ist gelogen. Ich kann so fest hauen wie Gerard, und Pferde, Drachen, Krokodile und Fledermäuse male ich besser als Pat.«
    »Wer sind denn diese Freunde?«
    »Die Söhne von Pfarrer Prince. Die erzählen die hässlichsten Witze, die ich je gehört habe.«
    »Wenn du willst, darfst du mich zum Curling begleiten«, erwidert der Vater, dem das unerschrockene Wesen seiner Tochter gefällt.
    »Die flachen Steine mag ich nicht und die Curlingstangen auch nicht. Ich will, dass du mir zuhörst. Ich habe drei Brüder, die machen, was sie wollen, nur weil sie Jungs sind. Wenn ich mal groß bin, rasiere ich mir den Kopf und schmiere mir das Gesicht mit deinem Haaröl ein, damit mir ein Bart wächst. Pat hat einen Schnurrbart, und in der Schule von Stoneyhurst nennen ihn alle ›Bobby Schnauz‹. Einmal habe ich ihn auch so genannt, da hat er mir eine geknallt.«
    »Dafür werde ich ihn bestrafen.«
    »Und noch was, Papa. Ich bin die Einzige, die stundenlang Klavier üben muss. Und ich muss mich von morgens bis abends waschen, mich dauernd umziehen und soll mich für alles bedanken.«
    »Leonora, Frauen werden nun mal anders erzogen als Männer. Ihr Mädchen sollt später einmal gefallen.«
    »Ich will niemandem gefallen! Ich will keinen Tee servieren! Das Einzige, was ich im Leben will, ist ein Pferd sein!«
    »Das ist unmöglich … Du kannst weder Hengst noch Stute sein. Du kannst nur du selbst sein.«
    »Mama hat gesagt, mit meinem Jähzorn würde ich mich noch vor meinem zwanzigsten Lebensjahr in eine Hexe verwandeln.«
    »Da irrt sich deine Mutter. Du hast Charakterstärke, und

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