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Frau Schick macht blau

Frau Schick macht blau

Titel: Frau Schick macht blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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Camino fabriziert hat. Unter anderem aus Katzenfutter.
    Er durchquert die Eingangshalle mit den hübschen Jugendstilfliesen, von denen einige noch immer rußverschmiert sind. Die von einer Druckwelle verformte Kellertür hängt schief in den Angeln.
    »Ich wollte eine sehr tückische Ratte ausräuchern«, hat Frau Schick ihr Feuerexperiment mit Besen, brennendem Dornbusch und einem Eimer hochexplosiver Putzmittel gestern Abend schreckensbleich erläutert. Da war das Schlimmste überstanden, die hell aufschlagenden Flammen auf der Kellertreppe waren gelöscht, die Glas-, Metall- und Steinsplitter beiseitegekehrt.
    Herberger schüttelt den Kopf und umgeht auf bloßen Füßen einen schmierigen Rußfleck. Dieser verrückte Drache hätte sich beinahe mit dem eigenen Keller in die Luft gejagt und sah dabei aus wie die Hexe von Eastwick aus seinem Traum. Nur weit zerbrechlicher und sehr, sehr schutzbedürftig. Sich wegen einer Ratte beinahe selbst umzubringen! Unfassbar. Sobald er sich mit Nelly verlobt hat, werden sie sich regelmäßig um Frau Schick kümmern. Das hat sie verdient. Einsamkeit bekommt ihr nach all den Jahren als umtriebige Firmenchefin schlecht, und ihr Patensohn in China scheint kein großer Trost zu sein.
    Nur gut, dass dieser alte Hausierer mit der roten Bommelmütze und dem Professorenbart gestern geistesgegenwärtig reagiert und gemeinsam mit ihm, einem Feuerlöscher und Frau Schicks Kimono den Brand restlos ersticken konnte.
    Seither sind der kleiderschrankgroße Klinkenputzer und sein merkwürdiger kleiner Begleiter Frau Schicks allerneueste und allerbeste Freunde. Engels heißt der Alte, was Frau Schick über die Maßen erstaunt und gefreut hat: »Ach, darum musste ich bei Ihnen immer an Karl Marx denken! Aber Friedrich heißen Sie nicht mit Vornamen, oder? Da sieht man es mal wieder. Ich bin kein bisschen plemplem, ganz im Gegenteil.«
    Hoffen wir’s, denkt Herberger. Alleine lassen wollte er Frau Schick nach der Explosion nicht mehr, zumal sie gar nicht wusste, wo Nelly sich aufhielt. Die Einladung auf ein Gläschen Honiglikör zur Feier des Tages hat er allerdings abgelehnt und sich nach dem aufreibenden Feuerwehreinsatz hundemüde ins Bett verzogen.
    Gut möglich, dass Herr Engels und Frau Schick die halbe Nacht miteinander auf ihre Rettung angestoßen haben. Und auf – was war das noch gleich? – Schrebergärten und Zirkusesel! Herberger schüttelt wieder den Kopf. Willkommen zurück in Frau Schicks Welt.
    Was Schrebergärten und Esel mit der Spontanparty zu tun hatten, hat er nicht mehr mitbekommen, er musste wirklich dringend ins Bett. Er wollte und will fit sein, um heute Abend – punkt halb zehn – Nelly in der »Bond Bar« zu treffen. Dort will er seinen Antrag endlich angemessen vortragen, nicht auf Knien, aber mit viel Zartgefühl.
    Ach, Nelly! Sein Puls eilt ihm voran in die Küche, im Magen wird ihm richtig flau. Was er jetzt erst einmal braucht, ist eine kräftige Mahlzeit. Herberger biegt in einen Korridor, um eine Ecke und in eine riesige Wohnküche ab, die – wie bei vielen Menschen, die nicht kochen können – mit allen Raffinessen moderner Küchentechnik ausgestattet ist.
    »Guten Abend, Herr Herberger«, begrüßt ihn von einem Herdblock in der Mitte des Raumes eine quietschfidele Frau Schick in Blümchenschürze. »Stellen Sie sich nur vor, ich lerne extra kochen, damit Sie etwas in den Magen bekommen. Sie sind sicher halb verhungert.« Mit freudestrahlendem Gesicht wendet sie sich ihrem zauselbärtigen Lebensretter zu. »Glauben Sie, das Wasser für die grünen Bohnen ist jetzt gut, Herr Engels?«
    »Wohl kaum, die Platte ist nicht angeschaltet«, murmelt der Mann mit dem imposanten Bart. Seine graue Lockenmähne hat er zum Zopf zurückgebunden, er trägt ebenfalls eine Blumenschürze und sieht darin aus wie ein sehr später Hippie. Muss um die siebzig sein, schätzt Herberger, ein wenig jünger als Frau Schick. Interessantes Gesicht, Charakterkopf, wenn auch schwer durchschaubar. Der Mann scheint ein außergewöhnliches Leben geführt zu haben.
    Der späte Hippie zieht einen von Frau Schick mit Argusaugen bewachten Stieltopf auf ein anderes Ceranfeld, greift mit einer schaufelgroßen Pranke nach einer Handvoll grüner Bohnen, kappt die Enden mit fliegendem Messer und dem Geschick eines Sternekochs. »Das sind die letzten Neckarköniginnen aus meinem Garten. Sehr ertragreiche Sorte«, erläutert er. »Schmeckt kurz blanchiert, mit einem Hauch Apfelminze und viel

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