Frau Schick macht blau
ja, Kinder kommen mitunter auf die absonderlichsten Ideen!«
Worin Frau Schick ihnen in nichts nachsteht, findet Herberger. »Sie haben einen Schrebergarten?«, fragt er.
»Ich kann es selbst noch gar nicht richtig fassen! Aber ein Schrebergarten kommt mir wirklich gelegen. Schopenhauer hat wie immer recht: ›Selbst das Zufälligste ist ein auf Umwegen gekommenes Notwendiges.‹ Ein Schrebergarten ist momentan geradezu ein Geschenk des Himmels!«
»Um genau zu sein, ist es ein privat verpachteter Kleingarten in unberührtem Waldgelände, Frau Schick«, mischt sich Herr Engels ein. »Das ist ein beachtlicher Unterschied. Schrebergärten gehören der Stadt, sind recht klein und unterliegen strengen Verordnungen. In privat verpachteten Gärten ist weit mehr möglich, etwa ordentlich bewohnbare Lauben und sogar Tierhaltung, wenn der Grundeigentümer es duldet.«
»Oh«, macht Frau Schick. »Glauben Sie, er könnte es mir verbieten?«
Herr Engels mustert sie kurz. Sein Mund hebt sich zu einem undurchsichtigen Lächeln. »Nein, Ihnen eigentlich nicht. Bislang hat er sich um die Gärten keinen Deut gekümmert.«
Herberger runzelt die Stirn. Das dubiose Lächeln gefällt ihm nicht, überhaupt gefällt ihm nicht, wie merkwürdig begeistert die zwei einander mit Komplimenten und Gefälligkeiten umgarnen. Wirkt irgendwie gespielt. Von beiden.
Und was will Frau Schick mit einem Schreber- oder Kleingarten samt bewohnbarer Laube? Sie besitzt eine Villa mit halbem Park drum herum, und weder Bohnenzucht noch Tierhaltung gehören zu ihren Hobbys. Nun ja, wahrscheinlich war die Ärmste in letzter Zeit wirklich sehr einsam.
Frau Schick stößt Zauselbart in die Seite und legt verschwörerisch einen Zeigefinger an ihre Lippen. »Pst, das mit der Tierhaltung ist mein Geheimnis! Herberger soll doch auch etwas von der Überraschung haben.«
»Welcher Überraschung?«, will Herberger wissen.
»Das sag ich Ihnen nach dem Essen«, entscheidet Frau Schick und legt ihre Schürze ab. Darunter trägt sie ihre Hightech-Wanderkluft vom Jakobsweg und dazu passende trittfeste Schuhe.
Nanu, warum zieht sie sich zum Kochen an, als gälte es einen Gewaltmarsch zu absolvieren?
Frau Schick lächelt ihm aufmunternd zu. »Sie müssen zu Kräften kommen, bevor Sie unsere Nelly in der ›Bond Bar‹ treffen.«
Nelly, genau, nickt Herberger stillvergnügt. Etwas anderes interessiert ihn gar nicht. Außer vielleicht die Spiegeleier. Er wirft einen sehnsüchtigen Blick in die Pfanne.
Zauselbart fängt ihn auf und deutet ihn richtig. Wer stumme Enkel hat, muss so was wohl können. »Der Mann braucht einen Teller«, kommandiert er.
Frau Schick fühlt sich nicht angesprochen. Fremder Leuts Befehle liegen ihr nicht. Sie zeigt vage auf einige Hängeschränke. Herberger öffnet mehrere, wird fündig und setzt sich mit einem Teller und Besteck neben Niklas zu Tisch. Schmal und wie ausgesetzt hockt der Kleine über den Resten eines Nutellabrotes.
Anrührendes Kerlchen, stimmt einen auf merkwürdige Weise weich. Man möchte ihn sanft wecken und aus seinem fernen Traumland abholen, in dem es vornehmlich einsam zu sein scheint.
Niklas beobachtet stumm die Ulmenkrone, wartet wohl auf die Rückkehr des Eichhörnchens – ganz so, als hinge sein Leben davon ab. Wirklich anrührend, diese Fähigkeit, sich so zu sehnen und alles durch und durch zu fühlen. Sogar die Zuneigung zu Eichhörnchen.
Herberger muss an Paolo denken, seinen erwachsenen Sohn, den er dank Penelopes Liebesverrat nicht hat aufwachsen sehen und von dem er nie wissen wird, ob er mit sechs oder sieben Jahren einmal so sehnsuchtsvoll einem Eichhörnchen nachgeschaut hat. »Du magst Tiere«, wendet er sich vorsichtig an Niklas.
Der senkt den Blick und knibbelt unter dem Tisch heftig am ledergeflochtenen Griff der Reitgerte herum.
»Natürlich mag er Tiere, sogar lieber als Hüte«, bestimmt Frau Schick, während sie die Pfanne mit den Eiern herbeibalanciert. »Und Sie hoffentlich auch! Ich meine natürlich Tiere, keine Hüte. Sie haben kein Hutgesicht, Herberger. Aber Ihre Tierliebe käme uns bei der Sache mit dem Esel sehr entgegen.«
»Welchem Esel?«, fragt Herberger verdutzt, während Frau Schick mit einer Spaghettizange nach Spiegeleiern fischt.
»Verdeckst, wie kriegt man diese glitschigen Dinger nur aus der Pfanne?«
»Hiermit«, sagt Hippie Zauselbart und reicht ihr galant einen Pfannenwender.
»Sie sind wirklich ein Engel. Darauf wäre ich nie gekommen. Erstaunlich, was es in
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