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Frau Schick macht blau

Frau Schick macht blau

Titel: Frau Schick macht blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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schreit Frau Schick schrill und wahrhaftig entsetzt.
    Neben dem Weihnachtsmann und seinem Hund steht Freda von Todden. Kaum anderthalb Meter groß und mit leuchtend grünem Gesicht.
    »Frau Schick, ich kann das erklären«, beginnt der Weihnachtsmann und reißt Freda den Hut samt Gesicht vom Kopf. Weiter kommt er nicht, denn vom Keller her ertönt ein ohrenbetäubender Knall.

8
    »Das kann ich unmöglich tragen«, protestiert Nelly, zerrt am Saum eines sehr bunten Häkelminikleids herum und dreht ihrem Schlafzimmerspiegel verschämt den Rücken zu.
    »Mom, das ist Missoni! Zwar secondhand und mit kleinen Maschenfehlern, aber … wow!«
    Nelly stöhnt. »Das Muster sieht aus, als habe der Designer bewusstseinsverändernde Drogen geschluckt.«
    »Das ist Sixties-Retrostil und voll angesagt!«
    »Schon wieder?«, murmelt Nelly entsetzt. Gute Güte, wie oft muss man mit 48 denn noch die Revivals grausamer Modesünden erleben?
    »Mama, du bist ein Hingucker und passt prima zur ›Bond Bar‹. Echt. Du bist ein Knaller.«
    Nelly versucht, die Stirn in strenge Falten zu ziehen. Das geht aber nicht, weil die Lockenwickler darüber sehr stramm sitzen. »Becky, ich bewerbe mich nicht als Bondgirl. Das Kleid ist zu kurz. Was soll denn Rottländer von mir denken?«
    »Dass deine Beine ein hervorragendes Argument dafür sind, dir einen Werbespot zuzuschanzen«, erwidert Becky ungerührt. »Vertrau mir, Mama. Und jetzt setz dich und hör auf zu zappeln. Ich muss mehr Wimperntusche auftragen. Falsche Wimpern würden zu dem Kleid natürlich noch echter rüberkommen.« Sie drückt ihre Mutter aufs Bett und zückt ein Spiralbürstchen.
    Nelly schlüpft unter Beckys Armen und dem Bürstchen weg. »Es reicht. Ich sehe bereits aus, als hätte ich in Lady Gagas Kosmetikkoffer übernachtet.«
    »Falsch«, kontert Becky. »Du siehst aus wie dieser Ekel-Alex aus Uhrwerk Orange , der nur rechts falsche Wimpern und Lidstrich trägt. Bislang habe ich nämlich erst ein Auge getuscht.« Sie greift nach Nellys Arm und zerrt sie in Richtung Bett.
    Nelly zerrt Richtung Tür und gewinnt. »Du darfst nachher weiter Kosmetikerin spielen«, sagt sie streng. »Ich muss noch mal das Exposé für den Spot durchgehen und mir die DVD mit dem Beispielmaterial anschauen, sonst kann ich das Konzept nicht erläutern.«
    Sie schiebt Becky beiseite und eilt zu ihrem Schreibtisch im Wohnzimmer. »Willst du die DVD nicht auch noch mal sehen? Ist wirklich klasse geworden.«
    »Nein!«, ruft es aus dem Schlafzimmer. »Ich will dir die Wimpern tuschen! Das ist wichtiger.«
    Teenies, denkt Nelly resigniert. Als ob es darauf ankäme! Sie schiebt die DVD, die Ricardas Freund und IT-Fachmann Ferdinand Fellmann gestern nach ihren Anweisungen aus Filmszenen zusammengeschnitten hat, ins Laufwerk ihres Computers.
    Die sägenden Mundharmonikaklänge von Spiel mir das Lied vom Tod zittern unheilschwanger aus den Lautsprechern. Sehr schön, das baut sofort Spannung auf, selbst sie bekommt wieder Gänsehaut. Auf schwarzem Bildschirm leuchtet der hochbetagte Slogan der Friseurinnung auf: »Was Friseure können, können nur Friseure.«
    Nelly spult schnell vor, der Spruch ist arg schlicht. Aber was dann kommt, hat sie sich ausgedacht, und es gefällt ihr immer noch.
    In rasanter Bildfolge treten Friseure neben Actionhelden, Casanovas und Komödianten von Weltklasse an und zeigen großes Kino mit Rasierpinsel, Schere und Lockenwicklern. Revolverhelden wie Gary Cooper und Clint Eastwood legen sich im Wilden Westen unter Barbiermesser und schießen während einer Nassrasur Auftragskiller tot. Charlie Chaplin seift im Großen Diktator und zu Mozarts Figaro -Musik Kunden ein, Johnny Depp schnippelt und schneidet als Edward mit den Scherenhänden Meisterwerke auf Frauenköpfen zurecht, Mr. Bean tut das Gegenteil. Julia Roberts wird zur Magnolie aus Stahl frisiert, und Robert Redford wäscht Meryl Streep jenseits von Afrika so hingebungsvoll die Haare, dass es gar keinen Zweifel mehr geben kann, wie leidenschaftlich Friseure bei ihrem Handwerk zur Sache gehen. Es folgt der Abspann und der neue Slogan der Innung: »Im Herzen Friseur!«
    Sehr schön, lobt sich Nelly stolz, besser kann man das Image von Coiffeuren kaum aufpolieren. Leider ist eine Kampagne mit geklauten Kinoszenen natürlich nicht erlaubt. Deswegen soll ja ein Kampagnenstar einige Szenen mit Komparsen nachspielen.
    Aber wer? Wer könnte mit Johnny Depp oder Clint Eastwood mithalten? Niemand, den sie aus dem deutschen

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