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Frau Schick macht blau

Frau Schick macht blau

Titel: Frau Schick macht blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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entdeckt?«, schreit Frau Pracht und beugt sich kurz durch das Fenster ihrer Laube.
    Frau Schick reißt verärgert das Fernglas herunter. »Nein!«
    »Sie gucken ja auch in die völlig falsche Richtung!«, ruft die Walküre unbekümmert. »Rechts bei Professor Engels gibt es viel mehr zu entdecken!«
    Frau Schick wendet den Kopf nach rechts. Jenseits von einer außer Kontrolle geratenen Wildrosenhecke erkennt sie Engels Blockhütte. Ein breiter Heckendurchgang, der walkürentauglich ist, gibt einen Blick auf sein Gartenreich frei.
    Frau Schick würde zu gern einfach hinübergehen und die Blockhütte durchsuchen. Irgend etwas müsste ihr dort doch verraten, wofür der Zauselbart Professor sein soll oder sein will. Sie schiebt entschlossen die Beine über die Hängemattenkante, um sich auf den Weg zu machen.
    Frau Pracht schaut wieder durchs Fenster und befiehlt lautstark: »Hinlegen!«
    Verdeckst!
    Na, mal sehen, was der Garten per Fernglas über Herrn Engels verrät. Botanisch betrachtet herrscht er vor allem über Kraut und Rüben. Sie stellt das Fernglas nach und entdeckt im ersten Beet altmodische Nutzpflanzen wie Guter Heinrich, fuchsschwänzigen Amarant, und – ha! – diese Krautbüschel zeigen Pastinaken an. Die kennt sie als Hammelsmöhren und Viehfutter aus Pöhlwitzens Bauerngärten. Zerberus wird sie lieben.
    Weiter geht’s zu mannshoch gewachsenen Nachtkerzen. Ziemlich schäbige Blumen, die ihre gelben Blüten nur bei Dunkelheit öffnen, um für wenige Augenblicke balsamisch zu duften und Nachtfalter anzuziehen. Die Schemutat hat aus ihren Wurzeln gelegentlich Rapontika gekocht. Den hat Frau Schicks Mama, die Butzi, gern gegessen, weil er zu Goethes Lieblingsgemüsen zählte und der Dichterfürst neben Mozart zu ihren Göttern.
    »Ohne Mozart und Goethe wäre das Leben ein Irrtum«, hat Butzi gemeint.
    Aber nicht ohne Rapontika, beendet Frau Schick ihre Schwärmerei. Als Röschen hat sie das rettichscharfe Gemüse überhaupt nicht gemocht, nicht mal Goethe zuliebe. Rapontika und Hammelsmöhren rechtfertigen auch keinesfalls Herrn Engels’ Vormachtansprüche in Sachen Gartengestaltung. So was gefällt der Rosennärrin Pracht? Liebe macht tatsächlich blind. Kopfschüttelnd setzt sie das Fernglas ab und wieder an.
    Mal sehen, ob dieser Gemüsezüchter überhaupt was von Blumen versteht. Anscheinend nicht. Abgesehen von einem explodierenden Wildblumenbeet, in dem Bienen lila Dost und Feuerröschen umtanzen und kugeldicke Hummeln Scharfgarbe und Schaumkraut umtorkeln, sind Blumen für Herrn Engels nur Beiwerk in den Gemüsebeeten. Zwischen linealgeraden Rotkohlreihen leuchten Studentenblumen, die Tomaten hat er mit violettem Beinwell unterpflanzt, zu Füßen seiner Stangenbohnen wimmelt rot blühende Kapuzinerkresse, darunter reifen Kürbisse heran.
    Wie im Tuschkasten sieht es in Herrn Engels’ Garten aus. Und – Frau Schick muss hart mit sich und gegen die Wahrheit ankämpfen – das findet sie sehr schön so, weil es in Pöhlwitzens Küchengarten genauso aussah.
    Aber egal, wie bunt und hübsch das sein mag, um so etwas anzulegen, muss man kein Professor sein. Die Schemutat hat das mit Dorfschulabschluss genauso gut hingekriegt. Nein, besser. Nie und nimmer wäre ihr der Gilbweiderich derart entglitten. Die sonnengelbe Färberpflanze ist quer durch den Garten ausgebüxt und wuchert neben der Blockhütte mit anderem Unkraut hoch. Was will der Mann mit dem Zeug? Ostereier und Wollstrümpfe für Niklas färben? Und warum steht mitten in diesem Blumendschungel eine Kamera? Ja, tatsächlich, eine Kamera! Was soll denn das? Gilbweiderich ist doch kein Forschungsfeld. Oder doch?
    Frau Schick setzt das Fernglas ab. Es macht sie ganz kribbelig, hier dumm rumzusitzen, wo es so viele Geheimnisse zu enträtseln gilt. Dumm rumsitzen war nie ihre Art, und zu Fuß denkt sie am besten. Sie schiebt sich von der Hängematte.
    Der Teekessel aus Frau Prachts Laube pfeift sie gellend zurück. Verflixt noch eins. Mindestens so dringend wie Kaffee braucht sie morgens Bewegung, damit ihr Gehirn auf Trab kommt.
    Ob ein bisschen schaukeln hilft?
    Frau Schick stupst sich und die Hängematte mit der Reitgerte vom rechten Birnbaumstamm ab. Die Matte reagiert mit trägen Pendelbewegungen. Ihr Körper nimmt sie auf, als sei sie noch Pöhlwitzens Röschen. Frau Schicks Beine holen unwillkürlich Schwung. Zurück und wieder nach vorn und wieder zurück und vor.
    »Nicht schaukeln, sonst wird Ihnen nur wieder schwindelig!«, ruft Frau

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