Frau Schick macht blau
Schönheit verdrehen konnte, schon vorgestellt. Die Walküre hat sich in den völlig falschen Götterhimmel verirrt. Mit ihrer Statur taugt sie allenfalls zu einer Rheintochter von Wagner. Woglinde, Floßhilde oder Wellgunde.
Persephone Pracht lauscht mit betroffenem Gesichtsausdruck in ihr Handy und beginnt, ihren Kartenstapel in kleine Häufchen aufzuteilen. Ein paar Karten trudeln vom Tisch.
Sieht man sofort, dass die eine Anfängerin ist, merkt Frau Schick. So was von ungeschickt!
»Verstehe, verstehe, liebe Gundula«, gurrt derweil Persephone Pracht. »Dann wollen wir mal sehen, wie ihr euren Ehestreit beenden könnt. Konzentrier dich ganz auf deine Frage. In aller Stille.« Sie schließt die Augen und lässt ihre linke, flach ausgestreckte Hand über den Kartenhäufchen kreisen.
Himmel, kann die laut atmen!, findet Frau Schick. Ein bisschen Hellsehen und Flunkerei scheint für die Walküre Schwerstarbeit zu sein. Da bekommt man ja glatt Mitleid!
»Gundula, langsam empfange ich deine Schwingungen«, murmelt Frau Pracht dramatisch, furcht die Stirn und lässt weiter die Hand kreisen.
Wie lange braucht die denn noch? Frau Schick will endlich über den Weihnachtsmann reden.
Frau Pracht patscht auf einen Kartenstapel, öffnet die Augen und dreht die oberste Karte um. »Oh!« Schieres Entsetzen flammt in ihrem Blick auf.
Frau Schick beugt sich vor und schielt nach der Karte. Hm, nach einem guten Blatt für Gundulas Eheglück sieht das nicht aus, was die Walküre auf der Hand hält. Das Kartenbildchen zeigt einen Mann, dem zehn blutige Schwerter im Rücken stecken. Auch wenn es eine Lösung sein könnte – angebracht wäre das bei einem Ehestreit sicherlich nicht.
»Da müssen Sie schummeln«, flüstert Frau Schick, die nichts über Gundula, aber alles über Herrn Engels’ angeblichen Professorentitel und seine Waldprojekte wissen will. Rasch liest sie eine Karte aus dem Gras auf und dreht sie um.
Sehr gut, die Karte dürfte das Gespräch mit Gundula rasch beenden. Wenn sie selbst an so einen Schwachsinn glauben würde, wäre sie glatt begabt dafür.
Frau Schick legt die Karte triumphierend vor Frau Pracht auf den Tisch und raunt: »Drehen Sie die mal um!«
Das Gesicht der Walküre bewölkt sich, sie schüttelt den Kopf, zieht eine weitere Karte. Wieder Schwerter, diesmal durchbohren drei Klingen ein tränendes Herz. Frau Pracht ringt um Atem und stottert etwas über »unklare Schwingungen«.
Frau Schick verdreht die Augen. Das kommt davon, wenn törichte Frauen in Wallegewändern mit Karten rumalbern! Die Schemutat hat sie immer davor gewarnt. Gespensteraustreiben auf Dachböden und dem Teufel ins Handwerk pfuschen war erlaubt, aber dem »Herrjott in die Karten luschern« streng verboten. Erst recht gegen Geld. Orakelt hat die olle Schemutat allenfalls mit der Bibel und umsonst.
Frau Pracht starrt hilflos auf ihr bedenklich schlechtes Blatt und weiß nicht weiter. Frau Schick schiebt ihr energisch ihre Karte hin.
Zögernd dreht Frau Pracht sie um. »Meine liebe Gundula«, jubiliert sie ins Telefon. »Ich empfange gerade eine positive Nachricht. Nach, nun ja, gewissen Unstimmigkeiten in Ihrer Ehe steht Ihnen Liebe und nichts als Liebe ins Haus.« Sodann malt sie ein Paradies vollkommenen Friedens und unablässigen Glücks aus. Der reinste Märchenfunk. So zuckersüß, dass man Zahnschmerzen davon bekommt.
Die Gute war sicher nie verheiratet, mutmaßt Frau Schick und betrachtet noch einmal die zwei von ihr gezogenen Nackedeis. »Die Liebenden« heißt die Karte. Besoffen vor Seligkeit lustwandelt das Pärchen in einem Garten Eden, den es auf Erden niemals gab. Ein bisschen mehr als unbekleidet Blümchen zu pflücken gehört zur Liebe auf Dauer schon dazu, weiß Frau Schick. Sonst wird es arg langweilig. Außerdem sollte man niemandem verschweigen, dass eine Ehe kein Spaziergang ist. Das teilt sie Persephone auch mit, nachdem diese ihr Gespräch beendet und sich in Frau Pracht zurückverwandelt hat.
»Ich weiß, ich weiß, aber es ist beinahe unmöglich, als Hellseherin seriös zu arbeiten«, murmelt die Walküre betrübt. »Ich würde Gundula sehr gerne die Wahrheit sagen, aber sie ist ein ausgesprochen schwieriger Fall. Sie fantasiert ständig darüber, dass sie Ihren Mann demnächst ermorden wird, und wenn ich das Wörtchen ›Scheidung‹ auch nur erwähne, springt sie mir an die Gurgel. Dabei ziehe ich ständig Schwert-Karten, die eine Trennung nahelegen. Vor allem für Gundulas Ehemann.«
Frau
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