Frau Schick macht blau
beteiligen will, Mama«, hat sich Becky eifrig von hinten zugeschaltet. »Dazu kommen die Einnahmen für die Imagekampagne. Papas Angebot ist ein Volltreffer.«
»Ich will mit Jörg nichts mehr zu schaffen haben, hört ihr. Frau Schick hat mir ein sehr gutes Angebot gemacht. Wenn ihr wüsstet, was Sie mir allein dafür zahlen will, dass ich ihren Esel verpflege!«
»Welchen Esel?«
»Den Esel in ihrem Garten.«
»Die Frau hält einen Esel im Schrebergarten? Wenn du glaubst, dass ich dich zu einer Irren kutschiere, hast du dich geschnitten«, hat Ricarda gezürnt.
»Dann eben nicht«, hat Nelly zurückgezürnt, ist samt Rucksack, Olivenbaum und der zeternden Becky aus Ricardas Auto aus- und in diese Straßenbahn umgestiegen.
Nelly hätte sich selbst treten können. Den Esels zu erwähnen war natürlich ein Fehler. Wer Frau Schick nicht kennt, musste zu dem Schluss kommen, dass sie nicht recht bei Trost ist, aber Nelly weiß es besser. Glaubt sie zumindest. Nein, sie weiß es! Dank Frau Schicks vermeintlicher Verrücktheit hat sie auf dem Jakobsweg immerhin Herberger kennengelernt.
Ach, Herberger!
Die Aussicht, dass er bald aus Tahiti und zu ihr zurückkehrt, ist ein unschätzbarer Trost. Der beste Trost überhaupt.
Darum hat sie auch den Olivenbaum mitgenommen. Darum und weil er sich im Garten dringend von Beckys Pflege und Unvernunft erholen muss, genau wie sie. Die Kolonie »Waldfrieden« ist bestimmt der richtige Ort dafür, ermutigt sich Nelly. Sie linst über Beckys Kopf hinweg nach draußen, um das Haltestellenschild zu entziffern. Nein, hier müssen sie nicht raus. Nur gut, dass sie eine Google-Routenbeschreibung samt Straßenbahnstrecke und Erläuterung des Fußwegs ausgedruckt hat.
»Nächste Station Eff-e-ren«, buchstabiert eine weibliche Lautsprecherstimme mit rauchiger Whiskeynote, in der ein Hauch Kasernenhofton mitschwingt.
»In drei Stationen müssen wir raus«, verkündet Nelly. »Danach geht es zu Fuß weiter.«
»Und wie lange?«, stöhnt Becky, die schon jetzt völlig entkräftet ist.
»Hier steht was von dreißig Minuten. Oh, wir können sogar ein Stück Jakobsweg gehen, das dauert nur ein wenig länger!«
»Eine halbe Stunde zu Fuß bei der Hitze«, stöhnt Becky. »Kannst du kein Taxi rufen?«
»Ich habe kein Handy mit, und ein bisschen Photosynthese schadet weder dir noch meinem Olivenbaum«, entscheidet Nelly forsch. Ein Stück Jakobsweg wird ihrer Seele guttun. Zärtlich betrachtet sie den Olivenbaum. Oh ja, sehr gut sogar.
»Willst du die dämliche Topfblume etwa den ganzen Weg mitschleppen?«, will Becky wissen.
Nelly nickt. Sie streicht sacht über die silbernen Blättchen ihres Olivenbaums und gönnt ihrer Seele einen Abstecher zum spanischen Camino.
Am Anfang jeder Liebesgeschichte gibt es einen Augenblick, der für immer im Gedächtnis bleibt, einen Moment Ewigkeit, der kostbar ist. Manchmal ist es nur eine Geste, etwa wie er sorgfältig eine Decke auseinanderfaltet oder wie er sehr konzentriert einen Pfirsich zerteilt und ihr wortlos die Hälfte reicht – unter einem Olivenbaum.
Von solch einem Moment an möchte man, dass der andere nie mehr weint, nie mehr leidet, sich nie mehr wertlos fühlt. Man bekommt Angst, ihn könnte ein Regentropfen erschlagen, und weiß, dass man nichts von alldem wird verhindern können, aber man versucht trotzdem alles, um es zu verhindern.
Natürlich haben schon andere, besser aussehende, jüngere Männer Obst und andere Dinge mit Nelly geteilt, aber als Herberger ihr den Pfirsich anbot und zugleich durch ein leichtes Heraufziehen der Augenbrauen andeutete, sie könne ihn auch zurückweisen, hat sie gewusst, dass sie nicht nur den Pfirsich wollte, sondern weit mehr.
Es ist ein Geschenk, dass sie – ihrem fatalen Hang zu windigen Leichtmatrosen zum Trotz – einem Mann wie Herberger begegnen durfte. Ob Frau Schick etwas von ihm und aus Tahiti gehört hat?
20.
»Schön liegen bleiben und ausruhen, Frau Schick«, schallt es aus Frau Prachts Gartenhaus. »Ich muss nur noch den Ingwer reiben und Wasser aufsetzen, dann bekommen Sie ein schönes Frühstück und den Tee.«
Leider, denkt Frau Schick und lehnt sich widerwillig in einer Hängematte zurück, die zwischen zwei Birnbäumen aufgespannt ist. Frau Pracht hat ihr zum Zeitvertreib ein kleines Fernglas dagelassen.
»Damit können Sie Herrn Engels’ Bienen beobachten, ein sehr, sehr beruhigendes Hobby. ›Wenn Bienen heim mit Schätzen fliegen, flieh’n die Minuten mit
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