Frau Schick macht blau
Zeltausgang. Applaus für Popesch begleitet ihren Abgang.
Herr Töller kündigt eine Ansprache und eine Zugabe speziell für die »Retterin von Waldfrieden« an. »Liebe Gartenfreunde und Gartenfreundinnen. Ich bin glücklich, euch wieder in unserer Kolonie willkommen zu heißen, und freue mich, euch mitteilen zu können, dass ich noch heute Abend über die Rückgabe eurer Ersatzgärten und Entschädigungssummen verhandeln werde. Es steht für mich außer Frage, dass mein Verhandlungspartner aufgrund der geänderten Situation und Frau Schicks Entscheidung, unsere geliebte Anlage am Leben zu erhalten und zu sanieren, günstige Konditionen anbieten muss …« Es folgt ein Exkurs über Rückerstattungsmodalitäten und Ratenzahlungen.
Frau Schick hört nicht hin. Als Musikant ist Herr Töller ein echter Popesch, als Vereinschef und Redner ein gnadenloser Langeweiler. Sie verrenkt den Hals und reckt sich in Richtung Zelteingang. Hoffentlich kommt die Walküre zur musikalischen Zugabe zurück. Wo bleibt sie nur?
»… kämper zugesagt. Als Dank für unsere Retterin komme ich nun zu meiner musikalischen Zugabe«, geht Herr Töller wieder zum gemütlichen Teil des Abends über. »Unsere Retterin hat sich etwas von Marlene Dietrich gewünscht.«
Wie dumm, die Walküre ist und bleibt verschwunden. Frau Schick dreht sich zur Bühne und Herrn Töller um. Aus Marlenes Text hätte Frau Pracht eine Menge lernen können! Darum hat Frau Schick den alten Gassenhauer doch ausgewählt. Darum, und weil Pöhlwitzens Popesch ihn so gern gesungen hat. Das Lied war in den Dreißigern pickfrisch, und die erste Strophe passt hübsch zu Gartenfesten.
»Ich hab’ den ganzen Nachmittag geübt«, erklärt Detlev verlegen. »Das Lied ist recht flott, aber ihr müsst euch bitte alle vorstellen, dass jetzt der blaue Engel singt, also die fesche Lola, also keinesfalls ich!«
»Wieso?«, grölt Kalle aufgeräumt. »Blau bist du doch auch gleich.«
»Aber bestimmt kein Engel«, scherzt es aus einer anderen Zeltecke zurück.
»Leg los, Lola«, fordert Kalle.
Frau Schick nickt und verbirgt artig ihre Verärgerung.
Popesch setzt ein:
Frühling kommt, der Sperling piept,
Duft aus Blütenkelchen!
Bin in einen Mann verliebt
und weiß nicht, in welchen!
Kalle grölt, Popesch singt mit strafendem Blick weiter. Könnte das nur Frau Pracht hören!, denkt Frau Schick. Schwungvoll leitet Popesch zum schmissigen Refrain über.
Kinder, heut’ Abend, da such ich mir was aus,
einen Mann, einen richtigen Mann!
…
Einen Mann, dem das Herz noch in Lieb’ erglüht,
einen Mann, dem das Feuer aus den Augen sprüht …
So wie jetzt Popesch. Wirklich zu dumm, dass Frau Pracht gerade Schnittchen schmiert.
»Kurz, einen Mann, der noch küssen will und kann«, singt Popesch sich Kalles Gelächter zum Trotz in Rage.
Frau Schick nickt, haargenau so einen braucht Frau Pracht. Ein Popesch in Rage küsst bestimmt sehr ordentlich.
»Möchten Sie zu Ihrem Lied nicht tanzen?«, erkundigt sich in ihrem Rücken sehr höflich der Professor.
Überrascht dreht Frau Schick sich zu ihm um. »Mit wem?«
»Ich dachte an mich«, schlägt Herr Engels mit durchaus charmantem Lächeln vor.
Wie kommt der darauf? Sie ist nun wirklich keine fesche Lola und er kein Professor Unrat.
»Nein, danke«, lehnt sie höflich ab. Sehr höflich, denn sie hat ja noch was vor mit dem Professor.
»Schade«, bedauert Herr Engels.
»Aber ich würde mich gern bei einem Gläschen Honiglikör über die Bedeutung von Hosenbienen unterhalten«, nutzt Frau Schick die günstige Gelegenheit. »Soweit ich es dank Ihrem reizenden Studenten Blogger verstanden habe, betreiben Sie ein Forschungsprojekt in Zusammenhang mit Öltankerhavarien. Ich hätte gerne genauere Erläuterungen zum faszinierenden Borstenhaarsystem Ihrer Ölbienen.«
Das Gesicht des Professors verrät grenzenloses Erstaunen und einen Hauch Entzücken. »Sie interessieren sich ernsthaft für meine Ölbienen«, freut er sich.
Sehr gut. Egal, auf welchem Gebiet man Männer zu Helden erklärt, es funktioniert immer. Ihr Paulchen ist nur so dahingeschmolzen, wenn sie ihn über Neuerungen in der Parkautomatentechnologie hat plaudern lassen.
»Aber natürlich«, verspricht Frau Schick jetzt Herrn Engels. »Wollen wir uns einen ruhigen Platz im ›Gießkännchen‹ suchen? Hier wird es gleich – wie ich befürchte – etwas zu laut, als dass ich Ihnen angemessen zuhören könnte.«
»Davon ist auszugehen«, bestätigt Engels mit Blick
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