Frau Schick räumt auf
immer nur ausgerissen.« Paolo lacht bitter.
»Paolo, ich weiß, dass ich ein verdammter Scheißkerl sein kann, aber diesmal täuschst du dich, glaub mir.«
» No« , sagt Paolo. Und noch einmal: » No.«
Es folgt eine längere Pause, die Paolo zögerlich beendet. »Was willst du überhaupt von mir?«
»Ein letztes Gespräch.«
»Worüber?«
»Nicht hier. Hör zu, ich kenne hier eine kleine Bar bei der Kirche.«
»Du meinst die gegenüber vom Grabstein Cesare Borgias?«
Oho, das hat gesessen! Paolo hat die Anspielung auf den grausamsten Papstsohn der Renaissance, der in Viana gefallen und beerdigt ist, sicher nicht zufällig gemacht. Cesare Borgia! Nelly schreibt den Namen auf. Herberger übergeht ihn.
»Die Bar ist sehr verschwiegen, dort können wir ungestört reden. Wenn wir galizisch sprechen, versteht keiner etwas.«
»Ich kann die Gruppe nicht im Stich lassen«, wehrt Paolo ab.
»Du bist Wanderführer, kein Kindermädchen! Die meisten deiner Schäfchen schlafen bestimmt bis zum Abendessen in zwei Stunden.«
»Bettina und Nelly nicht.«
Herberger lacht kurz auf. »Keine Bange! Frau Schick hat ihrer verrückten Hühnerschar reichlich Hausaufgaben aufgebrummt.«
Hühnerschar? Hühnerschar! Das ist die Höhe! »Gack, gack!«, macht Nelly laut und vernehmlich, und ohne groß darüber nachzudenken. Der Effekt ist der erwünschte.
» Maldito«, flucht Herberger. Mit drei Schritten ist er beim Kabuff und reißt die Tür so plötzlich auf, dass Nelly vom Hocker fällt. »Haben Sie wieder gelauscht? Was zum Teufel wollen Sie von mir?«
»Nichts, ich arbeite.«
Herberger schaut auf den schwarz gewordenen Bildschirm, auf dem zu Nellys großer Erleichterung das Windows-Logo Saltos schlägt. Herberger betritt das Kabuff. Die Tür knallt ihm mit Schwung in den Rücken und schubst ihn zum Tisch. Über die am Boden kauernde Nelly gebeugt, streckt er die Hand nach der Computermaus aus.
Nelly rappelt sich hoch und klammert sich an sein rechtes Hosenbein. »Nein, lassen Sie das!«, schreit sie. »Was soll das? Finger weg!«
Paolo zieht Herberger im letzten Moment von Maus und Nelly weg. »Hast du nicht gehört?«, brüllt er. »Du sollst sie in Ruhe lassen.«
»Nichts lieber als das«, knurrt Herberger. »Diese Frau macht mich krank.«
»Das wäre ja mal ganz was Neues«, zischt Paolo.
»Du glaubst doch nicht, dass ich und dieses Hu …?«
»Wenn Sie nochmal ›Huhn‹ sagen, beiße ich«, zetert Nelly und erkennt, dass sie gerade leider tatsächlich nach Huhn klingt, nach beleidigtem Huhn. Sie richtet sich mit dem letzten Rest ihrer verbliebenen Würde auf. »Es tut mir leid, ich habe ein bisschen überreagiert.«
»Ich auch«, sagt Herberger und zwängt sich aus dem Kabuff. »Kommst du?«, fragt er Paolo mit einem Blick über die Schulter.
Paolo wirft Nelly einen fragenden Blick zu.
»Er hat mich wirklich nicht angefasst, das war ein Missverständnis«, sagt sie schnell. Können die beiden nicht endlich verschwinden? Sie möchte im Internet eine ganz neue Suche starten, diesmal auf Englisch und mit Gasts Namen und Stichworten wie Australia und prison .
Paolo zögert noch einen Moment, dann schließt er sich Herberger an und verlässt mit ihm das Foyer.
Nelly macht sich an die Arbeit. Ihr ist noch ein entscheidendes Stichwort eingefallen: Opale. Herberger hat doch erst gestern Abend vor ihrer Zimmertür gesagt, dass Opale hauptsächlich in Australien abgebaut würden und ebenso viele Verbrechen, Mord und Totschlag ausgelöst hätten wie Südafrikas Diamanten.
Tosantos ist endgültig vergessen. Nelly jagt jetzt echte Verbrecher.
35.
Die Pilgermesse in der Kirche des heiligen Dominik aus Calzada ist beendet. Frau Schick und Bettina verlassen begleitet von Mittagsgeläut und protestierendem Hahnengeschrei das Seitenschiff.
»Diese heiligen Hühner in der Kirche gefallen mir«, freut sich Frau Schick, während hinter ihr die Holztür ins Schloss fällt. Sie treten auf den sonnengleißenden Platz vor der Kathedrale. Frau Schick drückt ihren Strohhut tiefer in die Stirn und setzt die Wanderstöcke aufs Steinpflaster. »Das war wirklich mal eine lebendige Messe – mit Gackern, Gockelei und Krähen zu Predigt und Orgelklang. Sehr erfrischende Kombination! Und sagen Sie jetzt bitte nicht, dass Ihnen die Tiere leidtun.«
»Ein wenig schon«, erwidert Bettina und tätschelt Quijote, der brav wie ein Engel, aber mit dem Aussehen des Höllenhundes Zerberus vor der Kirche gewartet hat und nun ein schönes
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