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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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außerdem seit der Antike wertvolle Gemmen geschnitzt.«
    Die Antike und Gemmen scheinen Hildegard mit den Manschettenknöpfen zu versöhnen. Herberger betrachtet den Stein eingehender. »Leider wird Onyx häufig gefälscht, aber dieser scheint echt und von sehr guter Qualität zu sein, er enthält die typischen weißen Farbschichten.«
    »Und was sagt unsere Esoterik-Expertin zu dem Manschettenknopf?«, will Frau Schick von Bettina wissen. »Wofür ist der gut?«
    Bettina zuckt begleitet von einem sehr blauen Augenaufschlag mit den Schultern. »Ich … äh … weiß nur, dass er den Gehörsinn stärken soll.«
    »Blödsinn! Mit meinen Ohren ist alles in Ordnung«, protestiert Hildegard. »Oder etwa nicht, Ernst-Theodor?«
    » Vamos« , sagt Paolo energisch und hebt die Versammlung auf.
    »Das mit dem Gehörsinn war zwar amüsant, aber nicht nett«, flüstert Frau Schick Bettina und Nelly im Weggehen zu. »Hildegard hat an ihrem Hochzeitstag mit diesem transzendentalen Trottel nun wirklich etwas Mitgefühl verdient.«
    »Es war das Netteste, das mir zu dem Stein spontan einfiel«, flüstert Bettina zurück. »Man nennt den Onyx auch ›Stein der Egoisten‹, und übersetzt bedeutet Onyx ›Kralle‹, ›Klaue‹ oder ›Pferdehuf‹. Er soll Teufel, Hexen und Vampire abwehren.«
    Dieser Vorlage kann auch Frau Schick nicht widerstehen. »Dann könnte er natürlich doch von Ernst-Theodor stammen«, scherzt sie und berichtigt sich rasch. »Nein, Spaß beiseite. So was verschenkt doch niemand, der ganz bei Trost ist! Langsam möchte ich wirklich wissen, welcher Verrückte diese esoterischen Knicker-Botschaften vor unseren Zimmertüren verteilt.«
    »Immerhin«, sagt Nelly und deutet nach vorn auf Hildegard und Ernst-Theodor, »scheint die Botschaft Wirkung zu zeigen. So einträchtig sind die beiden bislang nicht nebeneinander hergegangen.«
    »Jetzt hakt sie ihn sogar unter!«, ruft Bettina erstaunt.
    »Nein, er sie«, korrigiert Frau Schick noch erstaunter. »Na, vielleicht sind die Knicker tatsächlich ein versteckter Segen.«
    Das Damentrio und Quijote passieren die Kathedrale und steuern ein kleines Stadttor an, hinter dem sich das Städtchen in die Landschaft hinein öffnet. »Ha«, sagt Frau Schick plötzlich und bleibt stehen. »Wie wäre es, wenn ich mir im nächsten Bericht an den Grüßaugust diese Geschichte mit den Knickern selbst andichte? Würde mir gefallen und ihn bestimmt glücklich machen. Der glaubt doch jeden Blödsinn.«
    »Auf gar keinen Fall, Frau Schick«, sagt Nelly bestimmt.
    »Das klänge nun wirklich bedenklich«, warnt auch Bettina. »Die Heilsteinkunde gilt den meisten Menschen als Tummelplatz für echte Spinner.«
    »Und warum interessieren Sie sich dann dafür?«
    Bettina seufzt. »Weil es im Bereich der Seelenheilkunde nichts gibt, was ich nicht versuchen würde, um den Patienten zu helfen. Erstaunlicherweise sind viele von ihnen für magische Bezüge, Symbole und Rituale durchaus empfänglich. Man muss allerdings sehr verantwortlich und fein dosiert damit umgehen und alles stets in eine positiv ausgerichtete Glaubenshaltung einbinden. Ich bemühe mich, zunächst alles selbst zu erkunden, bevor ich es anbiete.«
    Das klingt selbst für Nelly schwer nach Hexerei und Budenzauber. Doch bevor sie etwas sagen kann, kommt Frau Schick ihr zuvor: »Sie meinen, man sollte bei Irren den Teufel mit dem Beelzebub austreiben?«
    »Frau Schick, bitte! Es handelt sich eher um das von Paracelsus aufgestellte Postulat, Gleiches mit Gleichem zu heilen. Es ist in vielen Fällen aussichtsreich, sich auf die Bilderwelt eines tief verstörten Angstpatienten einzulassen und mit ihm gemeinsam nach den heilsamen Gegenbildern in seiner Seele Ausschau zu halten, anstatt ihm seine Hölle ausreden zu wollen. In dieser Hölle lebt er schließlich, sie ist phasenweise seine ganze Wirklichkeit – und glauben Sie mir, einen Teil dieser Hölle trägt jeder von uns in sich, ebenso wie sein Stück Himmel. Nichts in dieser Welt existiert ohne sein Gegenteil.«
    »Hm«, brummt Frau Schick. »Das ist mir zu spirituell. Da sind mir heilige Hühner lieber, die gackern nicht nur, die legen auch Eier.«
    Nelly aber stellt erneut fest, dass Bettina eine kluge Frau ist, eine bemerkenswert kluge Frau, die es perfekt beherrscht, sich gelegentlich naiv und ahnungslos zu stellen. Frau Schick ist darin allerdings auch nicht schlecht. Plötzlich kommt sich Nelly neben den beiden anderen regelrecht dumm vor, schließlich neigt sie zum

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