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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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Kunstdiebstähle am Camino nicht unüblich. Deshalb sperre ich die Kirche seither nach jedem Pilgerbesuch ab, obwohl katholische Kirchen immer offen sein sollten – zu jeder Zeit und für jedermann.«
    Er schließt mit dem an alle Besucher gerichteten Hinweis, dass eine Spende für eine bessere Madonna herzlich willkommen sei. Er habe auch noch sehr schöne Bildchen und Lesezeichen der verschwundenen Marienfigur im Angebot.
    Bettina, Hildegard, Ernst-Theodor, Hermann und Martha lassen Münzen in eine Sammelbüchse klimpern, dann verlassen sie die Kirche in Begleitung von Herberger, der ihnen eine sehenswerte alte Gerichtssäule verspricht.
    Frau Schick bleibt zurück und sagt Señor Fadrago zu Paolos sichtlicher Freude eine besonders großzügige Spende für eine neue Madonna zu. Nelly muss einen Scheck ausschreiben, Frau Schick unterzeichnet. Pedro Fadrago lässt sich zu einer Umarmung hinreißen und schenkt ihr einen Rosenkranz aus rosafarbenen Plastikperlen, an dem ein Bild der geklauten Madonna baumelt.
    »Sagen Sie ihm, dass das nicht nötig ist«, bittet Frau Schick Nelly. »Diese Goldmaria ist eine Zumutung und das Kind erst recht.« Das in Schweinchenrosa gehaltene Jesuskind hat nämlich ein richtiges Ohrfeigengesicht, das sie an Pottkämper erinnert. So etwas gehört nun wirklich in keine Kirche! Dieses Jesuskind ist nicht niedlich-hässlich wie das von Burguete, sondern richtig misslungen. Bei dem wäre selbst mit abstehenden Ohren nichts zu retten.
    Moment? Das stimmt ja gar nicht. Natürlich kommt es auf die Ohren an!
    Frau Schick muss sich setzen, weil sie eine umwerfende Eingebung hat, die sie erst einmal verkraften muss. Die abstehenden Ohren haben sie nämlich auf eine Idee gebracht, wie sie mit einem Schlag all ihre Probleme lösen kann. Die Idee ist so einfach, dass sie sich am liebsten selbst dafür ohrfeigen möchte, dass sie nicht längst darauf gekommen ist. Na ja, in Burguete hatte sie einfach noch nicht den richtigen Blick dafür. Aber jetzt!
    Nelly registriert verblüfft, dass Frau Schick ihre Wanderstöcke weglegt, die Hände um den Rosenkranz faltet und mit seligem Blick auf die Goldmadonna leise betet. Dann schließt sie mit einem kraftvollen »Amen« und murmelt noch etwas, das in Nellys Ohren verdächtig wie »Idiotin« klingt. Hoffentlich meint sie nicht wieder Maria! Bettina hat Nelly von der Episode in Burguete erzählt.
    Was Frau Schick noch zu sagen hat, kann sie leider nicht verstehen, weil die Kirchentür empört quietscht und John aufgebracht ins Gotteshaus stürmt. Lauthals schreit er eine Pannenmeldung heraus. Sein Hinterreifen hat ein Loch, das er sich nicht erklären kann, und weil er vor einer Gerichtssäule plötzlich sehr scharf bremsen musste, hat sich die Radfelge verzogen. Die Bremsschuhe greifen nicht mehr, und er braucht Ersatz, erklärt er wort- und gestenreich.
    Nelly muss das nicht einmal übersetzen. Señor Fadrago weiß nämlich längst Bescheid. Er hat sich das Rad schließlich nicht umsonst so lange angeschaut.
    Frau Schick weiß noch viel besser Bescheid. »Ja ja, kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort«, sagt sie und tätschelt verzückt ihre Wanderstöcke. »Die sind wirklich sehr nützlich und so schön spitz.«
    »Frau Schick, wie konnten Sie nur!«, tadelt Nelly flüsternd. »Wie soll der arme Kerl denn hier Ersatzteile auftreiben?«
    »No hay problema«, beruhigt sie Paolo, der kurz Rücksprache mit Señor Fadrago und dem hastigen John gehalten hat. »Kein Problem. Pedro kann alles reparieren, was Räder hat.«
    »Sí«, strahlt der Greis und klopft Paolo auf den Rücken. »Und du kannst alles reparieren, was zwei Beine hat. So wie mich vor drei Jahren«, sagt er auf Spanisch. »Und das ganz umsonst. Was macht übrigens das Flötenspiel?«
    »Ich übe«, antwortet Paolo ausweichend.
    »Tu das, Paolo«, rät Pedro Fadrago herzlich. »Musik ist ein Geschenk des Himmels und mit die schönste Begabung, die du von deinem Vater geerbt hast. Er freut sich sehr, dass du sie in Ehren hältst, aber vergiss nicht: Du bist Arzt.«
    Paolo reagiert hitzig. »Hat mein Vater dir aufgetragen, mir das zu sagen?«
    Fadrago weist mit dem Finger nach oben. »No, ER. Ich empfehle dir, dich in Zukunft an sein viertes Gebot zu halten.« Und damit scheucht der alte Mann die letzten Besucher aus seiner Kirche, um sich ganz John und dem Rad zu widmen.
    »Welche Nachricht vom Allmächtigen hatte Fadrago denn für unseren Jesus parat?«, will Frau Schick im Hinausgehen

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