Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
Vom Netzwerk:
wahrscheinlich Tarot, kommentiert Frau Schick stumm. Eben hat Hope für Nelly nämlich die Karte der Liebenden gezogen. Ausgerechnet. Immerhin hat ihre neue amerikanische Freundin danach erklärt, dass die Karte der Liebenden eng mit der des Teufels verbunden sei, weil auf beiden Liebespaare zu sehen sind: einmal frei und dem Himmel zugewandt, einmal an Satans Thron gekettet.
    Nach Frau Schicks Geschmack kommt auf beiden Karten zu viel Sex vor. Als ob es darum bei der wahren Liebe ginge! Paulchen und sie sind schließlich jahrelang ohne ausgekommen und waren doch wie Pech und Schwefel. Im Mittelalter hätten die Antoniter Hope wahrscheinlich zur Behandlung von Mutterkornvergiftung und Halluzinationen dabehalten.
    Vor den drei Sternenguckerinnen flackert in einem schmiedeeisernen Korb ein Feuer, neben ihnen haben zwei ehrenamtliche Hospitaleros einen Holztisch aufgebockt. Er ist mit Brot, Käse, Nellys Wein, ihren Oliven und Frau Schicks Kerzen in Einmachgläsern gedeckt. Das sieht sehr schön aus. Selbst schuld, wer hier nicht bleiben will!
    Zu Frau Schicks Erstaunen sind die meisten Wanderer weitergezogen. Von den zwölf Schlafplätzen, die San Anton in einer Art Behelfsbaracke anzubieten hat, sind nur die vier von Bettina, Nelly, Hope und ihr belegt. Nun gut, die Baracke und die Etagenbetten sind windschief und sicher nicht sturmfest, aber das ist doch kein Grund, die Segel zu streichen. Frau Schick hat schon weitaus schlechter geschlafen.
    Die Behausung ist luftig, weil sie nach vorne völlig offen ist, sodass man bei Regen eine Plastikplane vorziehen muss. Dafür öffnet sich die Hütte direkt ins unbedachte Kirchenschiff und von dort in den wundervollen Himmel. Da könnte kein noch so prachtvolles Kreuzgewölbe mithalten, findet Frau Schick, und der Stall von Bethlehem erst recht nicht. Hach, was soll das denn jetzt?, fragt sie sich verwundert. Wir haben doch nicht Weihnachten.
    Sie steht in einer Bretterbude, die direkt an das Bettenlager angrenzt und Andenkenshop und Küche in einem ist. In einer Vitrine hängen Tau-Kreuze aus Olivenholz, Heiligenbildchen, Muschelketten und geschnitzte Jakobspilger. Neben einem wackelnden Postkartenständer brummt ein Kühlschrank, und auf einem Tisch mit Plastikdecke hat Frau Schicks Campingkocher Platz gefunden. Daneben stehen ihre Suppendosen, die Herberger am frühen Abend mit dem Jaguar herchauffiert hat. Höchste Zeit, Essen zu kochen!
    Frau Schick dreht am Kartuschenrädchen und reißt ein Streichholz an. Mit einem zischenden Geräusch fängt das Gas Feuer. Sie stellt ihren Blechtopf auf die blaugelben Flämmchen, öffnet drei Dosensuppen und kippt sie hinein. Zur Abrundung zupft sie Schmelzkäsescheiben in den simmernden Eintopf. Macht richtig Spaß, auch wenn sie nie gelernt hat zu kochen.
    Das reizende dänische Studenten-Pärchen, das sich von Mai bis September ehrenamtlich um die Pilger von San Anton kümmert, hat Frau Schick zu ihren Dosensuppen noch ein Glas Würstchen spendiert. Mal sehen, wann sie die am besten dazugibt.
    Am besten nie, stellt Frau Schick wenig später verärgert fest, nachdem sie von ihrer Eintopfkomposition mit Käsefäden gekostet hat. Die schmeckt ganz scheußlich nach altem Fisch. Wie konnte das passieren?
    Frau Schick kramt ihre Brille aus ihrem kleinen Damenrucksack, fischt die leeren Dosen aus dem Müll und studiert eingehend die Etiketten. Auf einem sind Tomaten abgebildet, auf dem anderen etwas, das nach dicken gelben Erbsen aussieht, und auf der dritten Mais, dazu eine Sardine und – ach herrje, das hat sie ja vollkommen übersehen! – eine Katze, die glücklich die Sardine anschmachtet.
    Frau Schick wird rot und stopft die Dose sehr tief in den Müll zurück. Sie wirft einen prüfenden Blick in den Topf. Also, nein, das geht nicht. Das eignet sich bestenfalls für Quijote. Der ist allerdings nirgends zu sehen, treibt sich bestimmt bei dem Wohnwagen der dänischen Hospitaleros herum, der am Straßenrand vor der Ruine geparkt ist. Da hat es vorhin lecker gerochen. Leckerer als bei ihr. Ob sie den Dänen heimlich etwas abkaufen soll? Nein, das geht gegen die Ehre. Schummeln, nur um anzugeben, gilt nicht.
    Ihr Blick streift den aufgebockten Tisch im Innenhof. Käse, Salami, Oliven, Brot und Nellys zwei Flaschen Wein. Hope hat eine Hand voll Trauben beigesteuert. Dazwischen stehen ihre Kerzen in Einmachgläsern. Das sieht hübsch und üppig wie ein Rembrandt-Stilleben aus. Sie werden sich mit kalter Küche begnügen. Das muss

Weitere Kostenlose Bücher