Frau Schick räumt auf
reichen.
Bettina, Nelly und Hope scheinen auch nicht sehr hungrig zu sein, sondern sehen sich am Sternenhimmel satt. Hope füttert die beiden anderen seit einer Stunde mit indianischen Horoskopweisheiten. Nelly, so hat sie festgestellt, ist ein Puma, Bettina ein Frosch und Frau Schick ein Waschbär. An dem Punkt hat Frau Schick sich in die Küche verabschiedet. Waschbär, also wirklich! Der ist doch viel zu putzig, da bleibt sie lieber, was sie ist. Löwin natürlich. Außerdem glaubt sie an den Sternenspuk wirklich nicht. Der liebe Gott, falls es ihn gibt, ist doch kein Zoodirektor!
Frau Schick dreht die Gasflamme herunter und deckt ihren erbärmlichen Eintopf ab. Nur gut, dass sie die Würstchen noch nicht reingeschnipselt hat. Die schmecken auch kalt. Sie stapft mit dem Würstchenglas zum Holztisch und will gerade »Essen kommen!« rufen, als Autoreifen über den Kies knirschen. Eine Wagentür klappt auf, und eine aufgeregt plappernde Frauenstimme ertönt.
»Dreißig Jahre! Dreißig Jahre. Und fast keine Nacht getrennt. Dabei schnarcht er zum Gotterbarmen. Und dann schenkt er mir nicht einmal was zum Hochzeitstag. Mein Onyx ist gar nicht von Ernst-Theodor. Jetzt ist das Maß voll. Ich brauche endlich einmal eine Nacht nur für mich.«
Hildegard!
»Sie werden sich die Unterkunft mit vier Frauen teilen müssen. Und eine davon ist Frau Schick.«
Was soll das bitte heißen, Herr Herberger! Frau Schick schnaubt empört.
»Die ist immer noch besser als Ernst-Theodor und seine sogenannten Vorträge über den heiligen Anton. Bringt der doch glatt alle Heiligen durcheinander!«, zetert Hildegard.
Frau Schick hat es geahnt. Das sich bereits am Morgen anbahnende Eheunwetter muss sich im vier Kilometer entfernten Hostal von Castrojeriz kräftig entladen haben. Wenn sie richtig vermutet, über die Frage, um welchen Heiligen es sich beim Schutzpatron des Konvents Sankt Anton handelt. Dabei ist das doch ganz einfach. Es handelt sich selbstverständlich um Schwienes-Tünn und nicht um Klüngels-Anton. In Köln kann man die beiden ganz leicht unterscheiden: Der Namenspatron der Antoniter ist der Anton mit dem Schwein, das die Antoniter alljährlich für die Armen mästeten. Der Klüngels-Anton ist hingegen ein italienischer Heiliger, den man in Sachen Vergesslichkeit um Hilfe bittet, etwa wenn man die Brille verlegt hat. In Bayern heißt er darum Schlamper-Toni.
Ernst-Theodor hat offenbar – ganz richtig – für den Heiligen mit dem Schwein plädiert, während Hildegard – auf Krawall gebürstet – für den Sachensucher Partei ergriffen hat. Und Herberger war am Nachmittag nicht da, um den Streit zu schlichten. Dafür betritt er jetzt mit Hildegard zusammen die Freiluftkirche. Dort stören Hildegard, die Plapperbüchse, und der zutiefst genervte Herberger die stimmungsvolle Kulisse erheblich, vor allem weil Hope und Bettina angeregt haben, nach dem Essen über das Thema Glück zu meditieren. So etwas hat Frau Schick noch nie gemacht, aber weil Nelly so begeistert zugestimmt hat, will sie es ebenfalls unbedingt einmal ausprobieren.
»Wo ist der Hospitalero?«, herrscht Hildegard Bettina an. »Ich brauche Bettlaken.«
»Gibt es nicht.« Frau Schick geht energisch dazwischen und knallt das Würstchenglas auf den Tisch, bevor Bettina womöglich auf die Idee kommt, Hildegard ihren eigenen Schlafsack anzubieten.
»Aber die werden hier doch wenigstens Decken für die Matratzen haben«, insistiert Hildegard. »Wegen der Wanzen.«
»Es gibt nur Pferdedecken. Die kratzen allerdings fürchterlich und wurden seit Monaten nicht gewechselt. Und Sie haben ja schon von den bissigen Wanzen gehört. Ohne Schlafsack sind Sie hier leider verloren.« Das ist gelogen, aber Frau Schick ist bereit, alles zu tun, um den Abend zu verteidigen. Hier in San Anton hat Hildegard nichts zu suchen.
»Einen Schlafsack habe ich«, kontert Hildegard spitz und zieht eine Wurst in Polyesterhülle aus dem Rucksack. »Der ist sogar polarfest. Und ich habe Insektizidspray dabei.«
Hope stellt flüsternd eine Frage. Nelly beantwortet sie ebenfalls flüsternd. Es scheint sich um eine Kurzvorstellung von Hildegard, Frau Schick und den Konflikt zu handeln, denn Hope versucht sofort, ihn mit einem versöhnlichen Lächeln zu schlichten. Am Ende sagt sie: » Welcome, God bless you.«
Verräterin! Zur Hölle mit der amerikanischen Gastfreundschaft und diesem Engel von Atlantis! Mühsam unterdrückt Frau Schick ihren Ärger und weist zur Baracke. »An der Wand
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