Frau Schick räumt auf
übersetze. Ihr hört einfach zu«, erklärt Nelly.
Das klingt in Frau Schicks Ohren ganz gut, obwohl sie sich unter Meditieren etwas mehr als eine Gutenachtgeschichte vorgestellt hat. Aber was soll’s. Sie setzt sich so bequem wie möglich in ihrem Klappstuhl zurecht. Hoffentlich redet diese Hope nicht über Unterwasserengel aus Atlantis, dann schläft sie nämlich sofort ein und hat hinterher Ärger mit steifen Knochen.
Es geht um Katzen, und die Geschichte ist recht kurz, verspricht Hope, als habe sie Frau Schicks Gedanken gelesen. Sie streicht sich die Haare zurück und beginnt. Nelly übersetzt. »Eine alte Katze sah, wie ein junges Kätzchen seinem Schwanz nachjagte und immer wildere Kreise zog, um ihn zu erhaschen, bis es vor Wut und Erschöpfung fauchte. ›Warum tust du das?‹, fragte die alte Katze die junge. ›Ein Philosoph hat mir beigebracht, dass das Glück in der Schwanzspitze zu finden sei, und darum jage ich ihr hinterher. Wenn ich sie erhasche, dann habe ich das Glück gefangen und kann es festhalten.‹ Die junge Katze begann erneut, im Kreis zu laufen und ihren Schwanz zu jagen. Die alte Katze nickte weise und sagte: ›Auch ich habe auf der großen Katzenschule gelernt, dass das Glück im Schwanz sitzt …‹«
Hildegard grölt und kugelt sich über ihre Decke. »Sagen Sie das mal meinem Ernst-Theodor. Gib’s noch Tequila?«
Hope guckt irritiert, weil es sich ihrer Ansicht nach wohl um eine sehr spirituelle Fabel handelt und sie das völlig unzweideutige und unschuldige englische Wort tail benutzt hat, für das Nelly leider nur die zweideutige deutsche Übersetzung zur Verfügung steht.
»Schscht.« Frau Schick legt den Zeigefinger an die Lippen. Sie ist wirklich gespannt auf die Pointe.
Bettina gießt Hildegards Glas randvoll mit Tequila, und Nelly beginnt erneut. »Die alte Katze sagte: ›Auch ich habe gelernt, dass das Glück im Schwanz sitzt.‹«
»Das muss aber ein ganz scharfer Kater gewesen sein«, kreischt Hildegard.
»›Jedoch …‹«, fährt Nelly ungerührt fort, »›habe ich beobachtet, dass, wenn ich ihm nachjage und versuche, ihn zu fangen, das Glück vor mir davonläuft. Darum ließ ich ab von der Jagd nach dem Glück, ging einfach voran und meinem Leben nach und siehe da, mein Glück folgte mir nach wie mein …‹«
Hildegard prustet Tequila.
» She is funny«, sagt Hope und deutet auf Hildegard, der Bettina kräftig den Rücken klopfen muss.
» No, dead drunk«, sagt Frau Schick trocken. Flüsternd setzt sie hinzu: »Ich schlage vor, wir meditieren ab jetzt im Stillen, sonst bekommen wir nur lauter Blödsinn zu hören.«
Sie schweigen.
Das bietet sich beim Anblick eines knackenden Lagerfeuers und unter Sternenhimmel ohnehin an, denkt Frau Schick. Ihr fällt ein, dass Astronomen und Nasa-Forscher kürzlich die Bewegungen und Laufbahnen von Gestirnen und Planeten per Radioteleskop belauscht und per Computer in Schwingungsgeräusche und Klangbilder übersetzt haben. Das Weltall ist nicht lautlos, alle Himmelskörper singen. Wie schön das wäre, die Sinfonie der Sterne jetzt zu hören und die Partitur zu kennen, die am Himmel funkelt.
Hildegard hat leider anderes im Sinn. Sie versucht, die besinnliche Stimmung mit einem gelegentlichen »Miau« und anzüglichem Gekicher herumzureißen, muss aber aufgeben. Sie legt sich auf den Rücken und fährt mit den Sternen Karussell. »Tequila«, seufzt sie.
»Keiner mehr da«, knurrt Frau Schick.
»Wassanneres?«
»Wasser hätten wir«, versteht Frau Schick sie ganz absichtlich und katzenfreundlich falsch.
»Igitt! Ich brauch’n Glass Tequila und Katznwitze, lussige Katznwitze! Aber nicht Ernst-Theodor. Den nich’. Den nich’.« Dann heult Hildegard ein Ströphchen und schluchzt immer wieder seinen Namen.
Bettina möchte sie gern trösten, kennt aber keine Katzenwitze. Deshalb probiert sie es mit einer weiteren Weisheit zum Glück. »Mach Dünger aus jedem Mist, der dir im Leben entgegenschlägt.«
»Sie waren auch schon mal besser«, tadelt Frau Schick.
Hope hält die Augen geschlossen, spitzt die Ohren und lächelt.
Nelly sagt nichts. Sie macht ein sehr nachdenkliches Gesicht, aber zumindest kein so unglückliches mehr wie am Nachmittag, findet Frau Schick. Leider drückt sie dafür die verflixte Tarotkarte von Hope an ihre Brust. Die von den Liebenden. Der Teufel wäre Frau Schick lieber, nur so als Mahnung.
Ein Scheit zerbirst und sprüht rotglühende Funken. Bettina starrt seufzend in die versinkenden
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