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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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einen hauchfein gewebten Spitzenschmetterling. Er flattert eine Handbreit unter ihrem Bauchnabel herum und markiert jene Stelle, die in ihren Volkshochschul-Yogakursen Sakralchakra genannt wird. Schöne Stelle, schönes Wort. Poetischer als alle anderen Bezeichnungen, die dafür gebräuchlich sind. Es gibt erstaunlich wenig kultivierte Worte für die Erotik, findet Nelly. Die ist ihr fast ein bisschen heilig, auch wenn das nach Sex and the City ein wenig verklemmt wirken mag. Mit Javier jedenfalls will sie über ihr Sakralchakra nicht nur meditieren, sondern es neu entdecken.
    Nelly kichert und wird rot. Ricarda nennt die Wechseljahre gern die zweite Pubertät. Diesmal stimmt’s, und was Nelly vom Kopf bis zu den Zehen in Flammen setzt, ist keine lästige Hitzewelle. So leidenschaftlich entbrannt war sie zuletzt und in aller Unschuld für Jörg. Wie kommt sie nur immer wieder auf den? Ach ja … Die Schmetterlingsdessous hat er ihr mal geschenkt – als Auftakt für einen Neuanfang, und weil er ihre praktischen Baumwollslips als persönliche Kränkung betrachtete. Es war ein Neuanfang von vielen, denn es hat lange gedauert, bis sie aufgehört hat, Superfrau zu spielen und ihn zu lieben. Ihr Herz machte einfach weiter damit, obwohl ihr Verstand längst Alarmstufe Rot meldete. Die endgültige Trennung von Jörg fühlte sich an wie ein Vorgeschmack auf Tod, aber Javier verheißt Wiederauferstehung. Basta!
    Sie zieht den Slip aus und sucht auf allen vieren kriechend nach ihrem Baumwollpanty, der im Hosenbein ihrer abgelegten Jeans Verstecken spielt. Es wird Zeit, dass die Vergangenheit vergangen ist. Javier und sie haben sich sowieso noch nie über Nellys oder sein Leben vor ihrem Kennenlernen unterhalten. Nur über das Jetzt, Pamplona, Javiers Expansionspläne im spanisch-deutschen Weingroßhandel, seinen Traum von einer eigenen Finca, aber vor allem über die Liebe.
    »Ich muss dich sehen, mi amor« , hat er schon im ersten Telefonat gedrängt.
    Nellys verträumtes Lächeln kehrt zurück, ihr Blick wird weich. Sie wollen sich Zeit mit der Annäherung lassen, so als wäre ihr erstes Mal das erste Mal überhaupt.
    Ein Knall aus der Küche und Sturmgeklingel an der Haustür lassen Nelly zusammenzucken. Zum Kuckuck, warum ist sie nur so nervös und schreckhaft? Sie ist verliebt, das ist kein Verbrechen. Auch nicht mit achtundvierzig. Schon gar nicht mit achtundvierzig. Das Erste muss der Korken gewesen sein; geklingelt haben hoffentlich die Schuhe.
    Rasch zieht Nelly den Rock wieder hoch, ordnet ihr Haar und versucht, den Glanz in ihren Augen zu dimmen. Ihre Pupillen sind verräterisch geweitet. So, als habe sie soeben den besten Sex ihres Lebens gehabt. Wer hätte gedacht, dass Dessous und Designergarderobe etwas so Herrliches sein können und ihren Preis absolut wert sind!
    »Wow!« Ricarda, die mit einer Flasche und zwei Sektflöten ins Schlafzimmer geschlendert kommt, ist beeindruckt. »Wie lange hast du schon nichts mehr gegessen? Ich muss jedes Mal sechs Tage mit Selleriesaft entwässern, bevor ich in dieses Folterkostüm hineinpasse. Ich hoffe, es steht keine Weinbergbesichtigung oder ein Ausflug zu deinem heißgeliebten Jakobsweg an. Gehen kannst du in dem Rock ja kaum.« Sie mustert Nelly noch einmal. »Und jetzt erzähl der lieben Tante Ricarda, worauf wir anstoßen.«
    Sie gießt Cava ein und nippt an ihrem Glas. »Bravo! Der ist wirklich trocken wie die Extremadura.«
    Nelly dreht sich vom Schlafzimmerspiegel weg und wirft ihrer Freundin einen hoffentlich nicht allzu entrückten Blick zu. »Erstens liegt die Extremadura in Zentralspanien und nicht bei Pamplona, und zweitens mache ich keine Diät!« Zum Beweis greift sie nach ihrem Sektglas. Sie leert es in einem Zug und unter Missachtung der Zitrusnoten im Gaumen. »Dauerhungern ist ja wohl eher dein Ressort.«
    »Nur weil man in der Werbebranche nicht altern darf, sonst wäre ich längst rund wie eine Rocherkugel.« Ricarda lässt sich in Nellys abgewetzten Lesesessel fallen. »Wenn du nicht hungerst, was ist dann dein Geheimnis? Abgesehen von Yoga hasst du doch alles, was den Puls beschleunigt.«
    In der Tat, das tut sie, aber seit sie Javier kennt, ist eben weniger Platz in Nellys Magen. Javier. Nellys Herz fällt in Galopp, und prompt dreht ihr Magen Loopings. Die Sehnsucht zehrt. Aber das kann sie Ricarda nicht sagen. Ein Mann, von dem einem schlecht wird, sobald man an ihn denkt, und das obwohl man ihn nur über E-Mail und Telefon kennt, wäre nicht nach

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