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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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Mund-zu-Mund-Beatmung durchzuführen. Oder gleich eine Herzmassage? Er schüttelt unschlüssig den Kopf. Dabei würde er der fragilen Frau Schick sämtliche Rippen brechen.
    »Beiseite!«, befiehlt eine junge Stimme mit spanischem Akzent, und eine Hand schiebt Wolfhart von der Autotür weg.
    Herberger sieht einen muskulösen Oberkörper unter einem eng sitzenden T-Shirt, der sich geschickt in den Fond des Jaguar schiebt.
    »Jesus! JESUS?«, ertönt ein halb überraschter, halb empörter Schrei. »Finger weg! Es war ein Scherz! Ich bin nicht tot.«
    Das ist eindeutig Frau Schick.
    Dabei hat der forsche Jüngling noch nicht mal mit der Beatmung begonnen. Erfolg hat er trotzdem gehabt. Und was für einen. Die alte Dame beginnt zu lachen, laut und schallend.
    Wolfharts Miene wechselt nahtlos von Erstaunen in Wut über. So lacht doch niemand, der vor wenigen Minuten eine nahezu finale Herzattacke hatte. Dieser ostpreußische Satansbraten! Täuscht glatt einen Infarkt vor.
    Der junge spanische Helfer taucht aus dem Fond auf und dreht sich zu Herberger um. » La señora ist una bromista , he? Eine Scherzevogel?«
    »Spaßvogel«, will Herberger korrigieren, als seine Augen die des Mittzwanzigers treffen. Das darf nicht wahr sein! Hat er eine Vision? Wolfhart erkennt das schmale von halblangen Locken gerahmte Männergesicht sofort. Dazu der Bart. Da gibt es kein Vertun, oder?
    Herberger kneift die Augen zusammen, mustert verstohlen den durchtrainierten Körper seines Gegenübers. Das muss er sein. In ihm branden Gefühle hoch, von denen er nicht geahnt hat, dass er zu ihnen fähig ist. Herrgottzack!, ihn in Fleisch und Blut zu sehen ist ein Schick, quatsch, Schock.

8.
    »Ricarda, hat der Postmann schon geschellt?«
    »Welchen meinst du? Den, der einmal, oder den, der zweimal klingelt?«, ruft die Freundin zurück.
    Sehr witzig, aber wieder der völlig falsche Film! Nelly will sich nicht auf einem Küchentisch von Jack Nicholson flachlegen lassen und ebenso wenig anschließend ihren nichts ahnenden Ehemann heimtückisch im Auto über eine Klippe schieben. Obwohl ihr Exmann das verdient hätte. Schon allein, weil Jörg ihre Drehbücher früher stets als »marktgerechte Scheiße vom Planet der Affen« bezeichnet hat und jetzt keine Gelegenheit auslässt, sich selbst zum medialen Depp zu machen.
    Schluss mit gestern, mahnt Nelly sich. Leben kann man nur nach vorne, nicht nach hinten. »Ich meine den Kerl, der mir die passenden Schuhe bringt«, schreit sie Richtung Küche.
    »Ich passe schon auf, Cinderella. Aber wo zum Teufel hast du einen vernünftigen Flaschenöffner?«
    »Das ist ein erstklassiger Cava, den öffnet man doch nicht mit dem Korkenzieher.«
    »Sag das dem erstklassigen Korken«, schimpft Ricarda und ruckelt wild an den Schubladen.
    »Im Kühlschrank steht eine geöffnete Flasche! Der ist so langanhaltend feinperlig, dass er …«, setzt Nelly an.
    »Spar dir die Poesie für Pamplona. Ich muss mir so einen Quatsch täglich in der Agentur anhören. Hauptsache, in dem Zeug ist Alkohol. He, was ist denn das?«
    »Was ist was? «
    »Nichts.« Pause. »Kreuzdonnerwetter, bin ich eine Idiotin.«
    Himmel, hat Ricarda eine Laune! Das muss daran liegen, dass sie heute ihren Vormittag im Frauenzentrum hatte – psychologische Beratung in Sachen Ehe-, Trennungs- und Beziehungsfragen. Ricarda betrachtet dieses ehrenamtliche Engagement als kleine Wiedergutmachung dafür, dass sie ihr Geld mit Werbelügen über haltbares Glück und ewige Jugend verdient. Danach ist Ricarda auf die Welt, insbesondere auf Männer und die Liebe, allerdings meist schlecht zu sprechen. Auf Frauen auch, erst recht auf verliebte.
    Nelly unterdrückt einen Seufzer. Besser, sie erwähnt Javier Ricarda gegenüber nicht. Fertigmachen kann sie sich ja auch selbst sehr gut.
    In Ermangelung von Absätzen stellt sie sich auf die Zehenspitzen und windet sich tänzelnd aus dem Rock. Hm, sieht aus wie eine Primaballerina, die sich in einen Bauchtanzkurs verirrt hat oder auf Ballettschlappen einen Gletscher erklimmen will. Immerhin, es klappt. Doch genug geprobt. Es wird sicher himmlisch und nicht peinlich sein, wenn der Rock morgen, spätestens übermorgen fällt und Javier den Blick auf weiße Spitze erlaubt. Es war eine unverzeihliche Dummheit, ihre alten, aber kein bisschen gealterten Dessous so lange zwischen Lavendelsäckchen und Seidenpapier im Schrank zu vergraben, um sie zu schonen. Für was eigentlich? Für ihre Beerdigung?
    Nelly streicht sanft über

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