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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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Seufzern feingemischt, das wird im Schloss zu Keinerzeit meist Niemand aufgetischt.« Dann will sie Nellys Hand das Glas entwinden.
    Nichts da! Nelly reißt es an sich und nimmt den letzten Schlick, nein, Schluck. Der Barspiegel wirft Wellen, und dann hat sie eine überwältigende Vision.
    Jesus.
    Im Barspiegel.
    Sie sieht es trotz Wellengang ganz deutlich. Nelly stellt den Brandy ab und versucht, ihre Augen scharf zu stellen. Leicht verschwommen taucht direkt hinter Jesus nun auch noch Gottvater auf. Die Ähnlichkeit zwischen beiden ist frappierend und unverkennbar. Nelly schnappt nach Luft, kneift die Augen auf und zu. Jesus bleibt, aber das neben ihm, das ist …
    Herberger!
    Uninteressant, aber den Jesus muss sie sich genauer anschauen. Sie will näher an den Tresen rücken, der Barhocker nicht. Außerdem fasst Frau Schick sie energisch am linken Ellbogen und kurz darauf auch am rechten.
    Ach nein, das ist ja eine andere Frau, die Nelly entfernt bekannt vorkommt. Sehr entfernt. Sie hat himmelblaue, leicht verhuschte Feenaugen und davon gleich vier.
    Frau Schick hält aus der Ferne Vorträge übers Wandern und den Jakobsweg und – Moment mal! – Schuheinkäufe. Schuhe! Zu diesem Thema könnte Nelly jetzt eine Menge sagen, aber sie will nicht, sie will mit Jesus darüber sprechen, wie es weitergehen soll. Und wo er schon mal da ist, auch ein wenig über Gott und die Welt plaudern.
    Jesus lächelt immer noch aus dem Barspiegel, direkt in ihre Augen hinein. Frau Schick stellt eine Frage, aber Nelly hört nicht hin, sie hat ja selbst Fragen. An Jesus. Immer mehr fallen ihr ein, sie traut sich nur nicht, sie zu stellen.
    » Vamos« , hört sie eine sanfte spanische Männerstimme hinter sich. Im Spiegel sieht sie, dass die Stimme zu Jesus gehört. Der ist Spanier? Na so was!
    »Ich komme mit«, sagt Nelly entschlossen. Ganz laut und ohne zu lallen.
    »Wunderbar. Dann gilt ab sofort mein Kommando. Sie gehören ins Bett«, mischt sich Frau Schick ein und hievt sie gemeinsam mit der blonden Fee, die einen wundersam weichen Busen hat, von dem Barhocker.
    Jesus verschwindet im Dunkeln, doch die Wunder nehmen kein Ende. Nelly kann stehen, kerzengerade, und sie kann gehen, ohne hinzufallen. Sie schlingert nicht einmal. Sie ist ganz überrascht. Mit einem Mal läuft es sich federleicht, und die Pumps drücken nicht und halten sie nicht auf. Sie hat enorm viel Platz, und ihre Füße durchströmt eine herrliche, glatte Kühle. Nelly hat vergessen, dass sie die Tanzschuhe längst abgestreift hat.
    Das Damentrio schreitet und tappt an der Bar entlang auf Hemingway zu. Nelly grüßt freundlich. Der Lümmel nimmt zwar keine Bestellungen entgegen und tanzt und grüßt nicht, aber das macht jetzt nichts mehr. Hauptsache, sie geht. Erstaunlich, wie gut sie das mit einem Mal kann. So könnte sie Stunden weiterlaufen. Einfach gehen, gehen, gehen.
    Kopfschüttelnd verfolgt Herberger den Abgang, dann bückt er sich und hebt Nellys Pumps auf, die unter dem Barhocker liegen, als wollten sie sich für immer ausruhen.
    Kein Wunder nach allem, was die heute mit ihrer Besitzerin durchgemacht haben, denkt er. Er trägt die Pumps hinaus auf die Café-Terrasse, wo die Damen eine kleine Pause eingelegt haben. Nelly sitzt in einem der letzten Korbstühle, die der Kellner noch nicht weggeräumt hat. Sie guckt versunken und vollständig betrunken in die Sterne, die am Himmel Karussell fahren.
    Frau Schick dreht sich zu ihm um. »Na endlich! Sie müssen uns helfen. Sie will hierbleiben und nie mehr aufstehen.«
    Hervorragende Idee, findet Herberger.
    »Stehen Sie nicht so dumm rum! Jetzt machen Sie endlich etwas!«, herrscht Frau Schick ihn an.
    »Wird eine Weile dauern, bis ich den Wagen hier habe«, trotzt Herberger. »Besser wir rufen ein Taxi.«
    »Unsinn. Wir brauchen kein Auto. Nelly muss frische Luft haben. Aber barfuß kann sie die Strecke bis zum Hotel kaum zurücklegen.« Ihr Blick fällt auf die Pumps, die an den Fesselriemchen von Herbergers Hand herabbaumeln. »In den Dingern auch nicht, Herr Doktor. Wo haben Sie denn Ihre Gedanken? Sie haben meine Einkäufe in der Bar vergessen!«
    »Was haben Ihre Einkaufstüten mit Frau Brinkbäumers Füßen zu schaffen?«
    »Die Tüten enthalten Nellys Dienstkleidung.«
    »Sie haben diese Schnapsdrossel doch nicht tatsächlich engagiert?«
    »Doch, und sie hat gesagt: ›Ich komme mit.‹«
    »Die Frau ist doch nicht bei klarem Verstand!« Herberger fällt es schwer, sich zu beherrschen. »Frau Schick,

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