Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
Vom Netzwerk:
Man saß gelangweilt herum, einige redeten, die Meisten schwiegen, die Babys quäkten. Dauernd wartete ich auf eine Stimme, die »Der Nächste bitte!« rufen würde.
    Ich versuchte, ein wenig Anschluss zu bekommen, indem ich interessiert nickend bei einem dieser Privatgespräche zuhörte.
    Der Benjamin einer Stillgruppenteilnehmerin hatte interessanterweise immer morgens nach dem Stillen einen nicht enden wollenden Schluckauf, während die Ilka-Sabrina ihrer Gesprächspartnerin regelmäßig dreimal nachts fürchterliche Blähungen bekam, die nur nach stundenlangem Fußmarsch durchs Treppenhaus den erlösenden Kackanfall auslösen konnten. Fast immer sei der Windelinhalt hellgrün und dazu breiig dünn. Er röche jedoch frappierenderweise eher nach Zimt als nach Kacke, und das sei bei ihrem Sohn Jan-Patrick ganz ähnlich gewesen!
    Sehr bereichert wendete ich meinen höflich nickenden Kopf einem anderen Gesprächskreis zu. Drei Frauen, deren wohlgenährte Säuglinge am Busen lungerten, tauschten sich über den verwahrlosten Zustand ihrer benachbarten Spielplätze aus. Bei der Einen lagen Scherben unter dem Klettergerüst, die Andere wusste von rostigen Nägeln an der Rutsche zu berichten, und die Letzte erzählte von einer Protestaktion gegen Hundekot im Sandkasten, an der sie und ihr Lebensgefährte unlängst teilgenommen hatten. Die selbstentworfenen Demonstrationsfahnen seien noch zusammengerollt in ihrem Schlafzimmer, sie könne sie beim nächsten Mal gerne mitbringen, falls jemand anderes Verwendung dafür hätte.
    Niemand hatte Verwendung für selbstgemalte Hundekotslogans auf anderleuts zusammengenähten Bettlaken, und so breitete sich wieder ödes Schweigen über der Stillgruppe aus.
    Weil ich ein so kontaktfreudiger Mensch bin, fragte ich nach vierzig Minuten, ob die Veranstaltung eigentlich schon begonnen hätte.
    »Was für eine Veranstaltung?«, fragte die busenlose Leiterin und tauchte unverbindlich aus ihrer Tasse auf.
    »Ich dachte, dies hier sei eine Stillgruppe?«, fragte ich unsicher. »Oder heißt die so, weil man hier einfach nur still herumsitzt?« Niemand fand meinen Wortbeitrag gelungen, alle starrten mich übellaunig an. Jemand biss geräuschvoll in ein Hirseplätzchen, das auf dem Boden gelegen hatte.
    »Wenn du dich nicht in die Gruppe einbringen willst, kannst du auch nichts von der Gruppe erwarten«, sagte die geblümte Thekla mit hochgezogener Augenbraue. Dann schlug sie erstmalig ihre Mappe auf und fragte: »Habe ich dich schon in meiner Kartei?«
    »Nein«, sagte ich freundlich, »mein Name ist Frohmuth.«
    Frau Holweide-Backes kramte umständlich in ihrem flickenbesetzten Beutel nach einem Griffel und notierte mit dem Gerät, das nicht so recht schreiben wollte, meinen Namen. Dann klappte sie die Mappe wieder zu.
    »Was hast du denn für Probleme?«, fragte sie.
    »Keine«, sagte ich und fühlte unbegreiflicherweise eine starke Abneigung gegen das Geduztwerden.
    »Und warum bist du gekommen?« (Warum bist du kommen?)
    »Weiß ich auch nicht«, sagte ich und rappelte mich mühsam aus der Sitzecke hoch. »Ich dachte, hier würde in fröhlicher Runde gestillt!«
    »Keiner hindert dich daran!«, sagte Thekla die Schmalbrüstige.
    »Ach nein«, sagte ich, »das tu ich dann besser zu Hause. Dabei kann ich wenigstens noch fernsehen«, bemerkte ich provozierend unkreativ.
    »Total zu ist die, total verklemmt«, sagte eine, als ich mit meinem sperrigen Kinderwagen über die Schrotplätzchenkrümel davonfuhr.
    Das Leben zu Hause nahm so seinen Lauf. Paulchen war inzwischen aufgewacht und entwickelte – ganz der Vater – einen sehr gesunden und eigentlich niemals verebbenden Appetit. Ich fristete mein Dasein stets in seiner Nähe, weil er in Abständen von etwa zwanzig Minuten an die Brust gelegt zu werden begehrte, wo er dann nach anfänglichem gierigen Saugen in sein altes Phlegma verfiel und genüsslich grinsend einschlief. Kaum hatte ich mich seiner entledigt und den schnaufenden Kerl irgendwo abgelegt, fing er höchst unwillig an zu schreien und biss so hungrig in seinen Ärmel, dass ich mir wie eine ganz üble Rabenmutter vorkam. Armer kleiner Kerl! Die Mutter vertreibt sich mit sinnlosen Dingen die Zeit, und der hilflose Säugling stirbt vor Hunger!
    So kam es, dass ich eigentlich den ganzen Tag irgendwo untätig herumsaß, während Paulchen an meinem Busen lungerte. Die alternative Hebamme, die noch dann und wann nach dem Rechten schaute, fand das ganz O. K. so. Sie konnte ja nicht ahnen,

Weitere Kostenlose Bücher