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Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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etwas dagegen, dass diese langbeinige Intelligenzbestie hier des Nachts mit Klaus über das Nebennierenrindenhormon diskutieren könnte, und sagte hastig, dass ich wahrscheinlich fürs Erste selbst auf Paul aufpassen würde.
    Sie sei auch in Eile und müsse jetzt gehen, sagte die Blondmähnige und sprang leichtfüßig auf ihren Pfennigabsätzen davon.
    Die dritte Bewerberin war eine ältere Frau, die einen dieser neonfarbenen Trainingsanzüge anhatte, mit denen Frau von Unterwelt in die Kaufhalle oder in den Massa-Markt zu gehen pflegt. Sie war in Begleitung eines großen seibernden Köters, der mir zur Begrüßung einen ausgelutschten Tennisball aufs Sofa legte.
    »Harro, isch will dat nit!«, sagte die sportliche Rentnerin mit heiserer Stimme. »Dun dat Bällsche fott, du hasses jehört, ich sarret nich noch mal!« Autokratischer bis autoritärer Erziehungsstil, diagnostizierte ich so für mich hin. Dabei kam eine alkoholschwangere Fahne bei mir an. Harro nahm »dat Bällsche« vom Sofa und seiberte es mir vor die Füße. »Der duht nix«, sagte die kölsche Dame, »der will nur spille!« Ich will aber nicht spille, dachte ich, ich will Tonleitern singen und meine Ruhe haben! Außerdem haben wir nicht genug Schnaps im Haus.
    Die Dame war erledigt.
    Dann meldete sich niemand mehr. Frustriert zog ich Tag für Tag mit Paul im Kinderwagen meine Runden durch unser biederes Wohnviertel. Jede Viertelstunde sah ich auf die nahe Kirchturmuhr und wunderte mich, wie langsam die Zeit verging. Wenn mir eine Frau mit Kinderwagen begegnete, lächelte ich sie mitleidig an. Manchmal wurde mitleidig zurückgelächelt, meistens nicht.
    Kind, du versündigst dich. Andere gäben etwas darum, ein so süßes Kind zu haben!
    Ich weiß, Tante Lilli, sagte ich und schämte mich abgrundtief.
    Man muss auch mal Opfer bringen, sagte Tante Lilli. Das haben wir nach dem Krieg auch gemusst. Oder meinst du, da hätten wir tun können, was uns Spaß machte?
    Nein, Tante Lilli. Du hast bestimmt nie getan, was dir Spaß gemacht hätte.
    Das Leben macht nicht immer nur Spaß! Es wird Zeit, dass du jetzt mal den Ernst des Lebens kennenlernst!
    Ja, Tante Lilli, sagte ich müde. Stimmt, den hatte ich noch gar nicht kennengelernt, den Ernst.
    Mein Schweinehund lag schlafend auf seiner Ottomane, aber seine Augen waren offen.
    Gibst du dich etwa geschlagen? fragte er. Dabei glomm es gefährlich in seinem einen Auge.
    Hast du eine Idee? fragte ich gereizt. Ich hab’ Paul in die Welt gesetzt, jetzt muss ich mich auch dazusetzen.
    Andere Frauen schaffen das doch auch, stichelte der Schweinehund. Wenn du weiter so unzufrieden bist, ist es besser für Paul, du gibst ihn in einer Krippe ab! Die Milch wird ja sauer, wenn du den Busen weiter so hängen lässt!
    Das konnte ich nicht machen, völlig klar.
    Kommt NICHT infrage! Wenn du Klaus nicht heiraten willst, musst du die Suppe allein auslöffeln!
    Ich will nur ein kleines bisschen Freiheit! Nur so viel, dass ich wieder singen kann!
    Jetzt heul nicht gleich, Kind, sagte Tante Lilli streng. Dass du aber auch so egoistisch bist!
    Abgesehen von meinem egoistischen Berufstätigkeitstrieb wuchs mir mein Paulchen aber immer mehr ans Herz. Ich drückte und knutschte ihn manchmal so fest, dass er sein Gesicht weinerlich verzog. Beim Stillen guckten wir uns unverwandt an, Paul und ich, und seine großen wasserblauen Augen ließen mich nicht mehr los. Manchmal ließ er von mir ab, um zu grinsen, aber dann schnappte er gleich wieder zu.
    Wenn ich ihn gebadet hatte, schmuste ich in Anfällen von Zärtlichkeit so lange an ihm herum, bis er zu niesen begann. Seine kleinen weißen Beinchen waren so weich und griffig, sein Bäuchlein so zufrieden prall und sein Doppelkinn so entzückend beseibert! Mit seinen völlig knöchellosen Händchen umfasste er immer gierig meine Zeigefinger, und als er zehn Wochen alt war, schenkte er mir gar sein erstes Lächeln! Ich jauchzte vor Entzücken und sang ihm stundenlang flötenhelle Sopranarien vor, weil richtig satte Töne ihn vielleicht verschreckt hätten, kurz, ich verhielt mich absolut kindgerecht. Klaus freute sich an unser beider Anblick, wenn er nach Hause kam. Vom Heiraten sprach er nie wieder, so wie ich vom Berufstätigsein nie wieder sprach.
    Unser Leben war einträchtig und friedlich. Man hätte sich daran gewöhnen können. Wenn nicht der Schweinehund gewesen wäre. Er wollte einfach nicht in seiner Hütte hocken bleiben!
    Du, Pauline, knurrte er, jetzt kommt der Herbst!

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