Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)
es mit Steuerkarte arbeiten. Da muss ich mal sehen, was finanziell günstiger kommt.«
»Ich will meinem Beruf nachgehen!«, schrie ich aufgebracht, »interessiert dich das gar nicht?«
»Doch, natürlich«, sagte Klaus. »Du arbeitest ja auch nicht immer mit Steuerkarte, da müssen wir mal sehen, wie wir deine Auftritte beim Finanzamt deklarieren. Deine Abendkleider kannst du nämlich auch von der Steuer absetzen, vorausgesetzt natürlich, du meldest deine Konzerte beim Finanzamt an.« Dabei wendete er seinen Blick nicht von der Fernsehkiste.
»Ich will mich selbstverwirklichen!«, brüllte ich. »Ich habe es satt, mit raushängendem Busen im Haus zu sitzen! Ich will in die weite Welt hinaus!«
»Konzerttourneen kann man natürlich hervorragend von der Steuer absetzen«, griff Klaus den Faden auf, »wenn man schön ordentlich alle Belege sammelt! Jede Taxifahrt, jedes Essen im Restaurant kann man von der Steuer absetzen, und es wäre auch geschickt von dir, ausschließlich auf Konzertreisen zum Friseur zu gehen, weil du das dann ebenfalls von der Steuer absetzen kannst. Selbst einen Lippenstift, den du auf einer Konzertreise kaufst, kannst du von der Steuer absetzen. Du musst aber unbedingt den Beleg mit Ort und Datum aufheben, sonst erkennen sie dir den Lippenstift beim Finanzamt nicht an.«
»Ich will wieder SINGEN!«, schrie ich in höchster Wut. »Weil es mir ein tiefes menschliches Bedürfnis ist, kapierst du das nicht?«
»Selbst ein tiefstes menschliches Bedürfnis kann man von der Steuer absetzen«, sagte Klaus, »vorausgesetzt, man lässt sich von der Klofrau eine Quittung geben!«
Wütend sprang ich auf und knallte die Tür hinter mir zu.
Kind, sei nicht gleich so gereizt, rief Tante Lilli hinter mir her, komm sofort zurück und mach die Tür noch einmal leise zu!
Aber ich dachte nicht daran. Sollte Klaus doch die kaputte Tür von der Steuer absetzen.
Wenige Tage später meldete sich das erste Kindermädchen auf meine Annonce hin. Ich hatte die Begriffe »liebevoll« und »flexibel« darin untergebracht, Ersteres, weil ich mein schlechtes Gewissen beruhigen wollte, und Letzteres, weil ich ja keine festen Arbeitszeiten haben würde.
Das Kindermädchen machte einen etwas verwahrlosten Eindruck und brachte seine Referenzen in Form zweier schlecht erzogener Abkömmlinge gleich mit.
Während des Vorstellungsgesprächs gestalteten die Beiden meine Wohnzimmereinrichtung völlig neu und hinterließen überall klebrige Schmiere aus Kaugummi, Abziehbildchen und Rotz.
»Alexander und Vanessa, LASST es!«, rief die Bewerberin ein übers andere Mal freudlos aus, und unsere Unterhaltung musste völlig abgebrochen werden, als die Beiden mein Klavier entdeckt hatten und nun des Tastendreschens in Klirr-Moll nicht müde wurden.
Ich fragte die Dame, ob sie nicht mit der Erziehung ihrer eigenen Kinder voll ausgelastet sei.
»Nä!«, rief sie gegen den Lärm an. »Wat kann man an denen denn noch erziehen! Außerdem brauch isch dat Jelld!«
Ich dankte ihr für ihre Ehrlichkeit und sagte, sie werde von mir hören. Beim Abschied meinte sie noch, dass der Paul auch ihren alten Laufstall und verschiedene ausrangierte Latzhosen bekommen könne, die flögen bei ihr zu Hause sowieso nur rum. Ich wertete dies als ausgesprochenes Entgegenkommen und schob sie und ihre repräsentative Brut erleichtert zur Tür hinaus.
Das zweite Kindermädchen war eine Studentin der Medizin, sehr hübsch, sehr blond, sehr langbeinig und sehr knackig. Sie erzählte mir zwischen zwei Zigaretten von ihrem anstrengenden Studium, ihren vielen sportlichen Tätigkeiten wie Tennis, Reiten, Golf und Surfen und ihrem gelegentlichen Job als Fotomodell. Warum sie sich denn bei mir bewerbe, fragte ich sie erstaunt.
»Weil ich gerne bei einem Arzt arbeiten würde«, sagte die Schöne offenherzig.
Wann sie denn zu babysitten gedenke, fragte ich sie und kam mir dabei entsetzlich hässlich und unförmig vor. Paul lag auch gerade wieder an meinem Busen, und der war nicht annähernd so knackig und bleistiftgetestet wie der ihre.
»Och, das wird sich schon irgendwie zwischendurch einrichten lassen«, sagte sie fröhlich, »ich denke, dass ich hauptsächlich nachts hier sein werde, wenn Sie irgendwo singen gehen!« Vielleicht dachte sie, dass ich in einer rauchigen Bar ins Mikro hauchen und die Nacht zum Tage machen würde? O nein, meine Liebe. So eine bin ich nicht. Auch wenn ich im Moment so aussehe.
Aus unerklärlichen Gründen hatte ich plötzlich
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