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Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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lauter Frauen in meiner Situation, die Atmosphäre sei locker und ungezwungen, und selbstverständlich würden die Babys dort bei Stilltee und selbstgebackenen Schrotplätzchen im gemeinschaftlichen Kreise angelegt.
    »Jede legt ihr eigenes an?«, fragte ich. »Oder tauscht man die Säuglinge auch schon mal untereinander aus?«
    »Jede ihrs natürlich!«, sagte die Hebamme befremdet. Komisch, wo sie doch sonst so aufgeschlossen für hübsche Ideen war!
    Ich dachte da zum Beispiel an dieses nette Gesellschaftsspiel: »Mein rechter, rechter Busen ist frei, ich wünsche mir den Daniel herbei«, oder so. Aber die Hebamme hielt nichts davon. Tante Lilli auch nicht. Sie sagte, mir fehle die sittliche Reife.
    Jedenfalls ging ich gleich am nächsten Tag hin, schließlich hatte ich unendlich viel Zeit!
    Die Leiterin der Gruppe hätte eine Zwillingsschwester meiner Bio-Hebamme sein können, so ähnlich sah sie der! Auch sie trug die Haare hochgesteckt zum lockerstruppigen Haarkranz, ihr Rock war weit und geblümt, ihr selbstgestrickter Pulli schlabberte ihr um die mageren Hüften, und Busen hatte sie keinen. Genau die richtige Voraussetzung zur Leitung einer Stillgruppe! Ich war verblüfft.
    Sie hieß Holweide-Backes und mit Vornamen Thekla. Die geblümte Thekla schenkte mir nur einen flüchtigen Blick, als ich mit meinem sperrigen Kinderwagen in den schmuddeliggemütlichen Sitzungsraum Einzug hielt. Niemand half mir, als ich mit dem Gefährt in einem selbstgehäkelten Sofakissen steckenblieb.
    Die anwesenden Stillemanzen hatten sich und ihre Brut auf herumliegenden Matratzen ausgebreitet. Auf einem niedrigen, wackeligen Tisch in der Mitte des Raumes standen ein paar Tassen und Näpfe unterschiedlichen Designs. Verheißungsvoll lachten mich zwei große Kaffeekannen an, aber der Duft, der ihnen entströmte, war nicht Tchibos hinterletzte Bohne, sondern eine Mischung aus Klosterfrau-Melissengeist und Kamillenblütenextrakt. Schade. Ich hatte richtig Lust auf einen Stimmungsanreger! Sekt hätte es auch getan! Wir Frauen müssen zusammenhalten und Spaß haben! Während unsere Männer im engen Hemdkragen an ihren Computern sitzen und trockene Zahlen auf den Bildschirm hacken, sollten wir uns einen antrinken, Mädels, und jubeln in glockenheller Weinseligkeit von alten Zeiten, während unsere Babys fröhlich brabbelnd über die selbstgeflickte Krabbeldecke robben! Wenn wir schon nicht berufstätig sein dürfen, dann lasset uns unser Leben auf andere Weise fröhlich gestalten! Stillen ist toll!
    Ein Poster mit eben diesem Slogan und drei wonnevoll satten Wuchtbrummen hing übrigens an der Wand.
    Doch meine Einstellung teilte niemand. Es herrschte eine ernste, arbeitsintensive Atmosphäre auf den niedrigen Schmuddelsofas, und Thekla die Geblümte war schweigend in ihrer Stillteetasse versunken. Wahrscheinlich meditierte sie und wollte nicht gestört werden. Vor ihr lag immerhin eine schwarze Mappe, die mich schmerzvoll an meine Notenmappe aus vergangenen Zeiten erinnerte. Sie enthielt aber keine eselsohrigen Noten, sondern die Liste der anwesenden Mütter. Da es erst eine halbe Stunde über den offiziellen Beginn der Veranstaltung war, hatte noch niemand mit der Eröffnung der Sitzung begonnen.
    Ich ließ mich plump in eine Ecke fallen und gaffte auf die Andern. Paulchen im Kinderwagen war wie immer im Tiefschlaf.
    In der rechten Ecke des Raumes lümmelten zwei Mädels in praktisch zu öffnenden Latzhosen, die redeten mit sorgenzerfurchter Miene über die Schadstoffe in der Luft. Zwischen zwölf und sechzehn Uhr verließen sie niemals ihre Wohnung, die sie mit selbstgestrickten Würsten hermetisch gegen das Ozonloch abgesichert hatten. Die Eine trank Stilltee, die Andere rauchte.
    Mir gegenüber saß ein blasses Mädel, das hatte Probleme, den etwa zweijährigen dicken Brummer auf ihrem hochschwangeren Bauch so zu lagern, dass er optimal an der Brustwarze zu liegen kam.
    Links am fleckigen Vorhang tummelten sich einige Kleinkinder im Vorschulalter. Sie wickelten sich gegenseitig ein und rissen mit Begeisterung an der selbstgeflochtenen Kordel. Zu welchen Müttern sie gehörten, war nicht ersichtlich, da niemand ihnen Beachtung schenkte.
    Nach mir kamen noch zwei, drei junge Frauen mit Kinderwagen an. Sie hockten sich mit ihren Säuglingen in die Runde, zogen die Nase hoch und schenkten sich Stilltee ein.
    Gespannt wartete ich auf den Beginn der Veranstaltung. Doch es tat sich nichts. Es herrschte eine Atmosphäre wie im Wartezimmer:

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