Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)
Tante Lilli streng. Hoffart, Reichtum, Augenlust!
In dem Moment kam Klaus mit der Pumpe. Er richtete mir im sogenannten Kinderzimmer ein gemütliches Plätzchen ein, mit Blick auf die Bremer Stadtmusikanten, die Frau Pupke auf ein grünes Tuch gebatikt hatte. Ich war dann so lange sozial, bis die Flasche voll und die Stimmung im Eimer war.
Frau zu sein machte absolut keinen Spaß.
Stunden später, als der schachmatte Paul endlich die Milchflasche geleert hatte, wankte ich vor Frust und Erschöpfung weinend ins Bett. Klaus wollte noch ein bisschen nett zu mir sein, um mich zu trösten, aber ich fuhr ihn dermaßen übellaunig an, dass er es für psychologisch geschickt hielt, mich einfach ein bisschen in Ruhe zu lassen.
Dann telefonierte er mit der alternativ angehauchten Hebamme. Einer Wöchnerin stehen nämlich Schutz und Rat einer Haushebamme zu, bis alle ihre Wehwehchen verheilt sind, das steht in irgendeinem Mutterschutzgesetz. Klaus hatte das gelesen, ich natürlich nicht.
Schwester Müsli erschien gleich am nächsten Morgen.
Sie brachte eine Packung Kleenex mit und saß milden Mundes auf meinem Bettrand, bis meine kampfmüde Seele fürs Erste genug geheult hatte.
»Die Methoden der Schwester Hildegard sind sicherlich ein Weg«, sagte sie. »Aber es gibt inzwischen natürlichere Möglichkeiten, Stillprobleme zu lösen.«
Erwartungsvoll gaffte ich sie an. Letzte Tränen tropften auf meinen schlafenden Sprössling Paul, die Ursach’ aller solcher Plagen.
»Haben Sie tiefgefrorene Erbsen im Haus?«, fragte Schwester Alternativa.
Ich zuckte verblüfft die Achseln. »Weiß nicht. Ich wohne hier erst seit gestern!«
Die Schwester fragte den Doktor. Der Doktor fragte Frau Pupke.
Frau Pupke, eine wackere und sehr eifrige Arbeitnehmerin in den Sechzigern, sagte, dass nur tiefgefrorener Rosenkohl im Hause sei. Ob sie den auftauen solle. Sie wisse aber zuverlässig, dass Rosenkohl Blähungen verursache und darum nicht gut für stillende Mütter sei! Ihre Bekannte Ursula habe damals auch …
Sie solle ihn nicht auftauen, sagte die Öko-Schwester. Sie möge Erbsen besorgen, und zwar mindestens vier Kilo.
Frau Pupke lief unter weiteren hilfreichen Ratschlägen davon. Und zwar zum Wochenmarkt, weil es dort frische Erbsen gab. Frau Pupke machte immer alles hundertfünfzigprozentig, auch wenn der Schuss nach hinten losging.
Während wir warteten, kam der Hebamme die Idee, Paulchen doch einfach mal anzulegen. Mit sanfter Energie schob sie die Milchpumpe weg. Paulchen saugte sich an der Warze fest und schlief weiter. Immerhin: Er war kein Brustverächter, wie Hildegard so salopp gesagt hatte! Er fühlte sich rein lagemäßig dort sehr wohl, und das hielt auch Alternativa für einen guten Ansatz!
»Aber er soll nicht am Busen lungern«, sagte ich, »hat Hildegard gesagt. Dann verweichlicht der Kerl von Anfang an!«
»Hildegard sagt das nur, weil bei ihr noch nie jemand am Busen gelungert hat«, sagte die Hebamme. Wer hätte das gedacht. Solche Spitzfindigkeiten hätte ich Fräulein Birkenstock gar nicht zugetraut.
Frau Pupke brachte die Erbsen. Sie waren nicht tiefgefroren und deshalb für unser Vorhaben nicht zu gebrauchen. Frau Pupke war aus derselben Generation wie Schwester Hildegard und Tante Lilli, deshalb mangelte es ihr an Phantasie und Improvisationsgabe.
Die tiefgefrorenen Erbsen seien dazu da, den Milchfluss zu stoppen, sagte die nette Schwester. Ich solle sie tütenweise auf die Brust legen. Klaus Klett bestellte telefonisch bei der Firma »Frittenfrost« Erbsen im Zentnerpack. Frau Pupke war beleidigt, weil sie nun umsonst auf den Wochenmarkt gerannt war. Ich sagte, dass wir die nette Schwester ja zum Dank mal zum Essen einladen könnten. »Hülsenfrüchte, nichts als Hülsenfrüchte!« knödelte ich frei nach Alban Berg, und Klaus Klett sagte erfreut, dass ich meinen alten Humor ja schon wieder hätte. Frau Pupke wusste auch gleich ein schmackhaftes Rezept für eine Erbsensuppe, und Fräulein Birkenstock wollte dann nicht länger stören.
So kam es, dass die Diva am ersten Tag ihres Zusammenlebens mit Herrn Doktor Klett im trauten Tête-à-tête mit eisgekühltem Erbsenbusen auf dem Sofa saß.
Immerhin heulte sie nicht mehr, die Launische.
Und das war ja schon ein Anfang.
Die nette Schwester hatte mir nicht nur den Trick mit den Erbsen verraten, sie wusste auch zuverlässig von der Existenz einer sogenannten Stillgruppe im Alternativen Zentrum. Dort solle ich doch mal vorbeischauen, da gebe es
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